Anzahl der Beiträge : 1586 Anmeldedatum : 08.02.12 Alter : 42 Ort : München
Thema: Kapitel 665 I + II Mi Feb 26, 2020 4:02 am
Alle Rev’s werden beantwortet, versprochen. Ich liege nur augenblicklich im Krankenhaus völlig isoliert. Ich habe keinen Coronavirus, dafür Grippe Influenza A, reicht mir völlig, ich sieche dahin… und bin sehr unkonzentriert und schlafe die meiste Zeit. Aber auch wenn ich leide, kann ich euch eine Freude bereiten, da Lilo endlich mit dem Kap fertig geworden ist!
Info: der erste Teil von Kap 666 liegt bei Nira ca. 29 Seiten (sie hat gut die Hälfte korrigiert). Der zweite Teil ist bei mir ca. 22 Seiten und dies ist bis auf die Nachkorrektur von mir, wahrhaftig fertig geschrieben. genau zu dem Zeitpunkt als ich krank wurde, wurde ich fertig und das letzte Wort in WHF steht. Unglaublich aber wahr, natürlich muss das gesamte Kap 666 dann zu Lilo aber ihr seht, es werde Licht, oder so ähnlich… glg eure queenie + Team
ps. über Rev’s würde ich mich tatsächlich sehr freuen, da sie mir die Langeweile vertreiben…
665. Kapitel The end is nigh
Der gespenstische Zug bewegte sich weiter Richtung Hogwarts und ich spürte regelrecht den sengenden und vor allem wissenden Blick von Rodolphus in meinem Rücken. Aber ich ging unbeirrt weiter, denn ich fühlte mich selbst wie neben mir stehend. Eine bisher unbekannte Zerrissenheit hatte von mir Besitz ergriffen und ich versuchte, diese durch ein wenig Distanz zu allem zu unterdrücken. Nichts, wirklich nichts, lief mal wieder nach unserem Plan und somit erforderte es Improvisation an allen Ecken. Jetzt wurden die Weichen für die Zukunft gestellt und es würde sich zeigen, in welche Richtung es laufen würde und wie wir uns zu positionieren hatten. Ich musste genau im Blick behalten, wie sich alles entwickeln würde und dann mit dem Gespür für die rechte Zeit eingreifen, wenn es möglich war, um diese Zukunft in die Bahnen zu lenken, die mir und nur mir vorschwebten.
Indes blieb die unglaubliche Armee des Lords langsam, aber sicher in Bewegung und passierte die verwüsteten Ländereien und ich versuchte, den Anblick nicht allzu sehr auf mich wirken zu lassen. Mittlerweile hatten sich uns auch die beiden verbliebenen Riesen angeschlossen und trampelten, unvorstellbaren Lärm verbreitend, hinter uns her und ich konnte die großen, uralten Bäume des Verbotenen Waldes auf unserem Weg knarren und umfallen hören. Wir wurden begleitet von Zerstörung und machten ein derartiges Getöse und trampelten über alles hinweg, dass die Vögel kreischend und empört über die Störung in den Himmel stiegen und dadurch das höhnische Geschrei der jubilierenden DeathEater dabei unterging. Wir veranstalteten einen unnachahmlichen Lärm, der mich eher an ein Totengeheul denn an Triumphrufe erinnerte und der es mir nicht leichter machte, zu denken und die malfoygleiche Noblesse der distinguierten kalten Maske aufrechtzuerhalten.
Nach kurzer Zeit ließen wir die Schwärze des Verbotenen Waldes hinter uns zurück und unsere Umgebung hellte sich auf, da sich der Wald lichtete, jedoch war es kein Anblick, der erstrebenswert gewesen wäre und der in meinen Augen eine Schande und Vergeudung war, denn wir sahen auf das offene, völlig zerstörte und total verwüstete Schulgelände, das in seiner Tristesse einer Ödnis glich.
„Severus!“, wisperte Hermione in meinen Armen verstört, wachte aber nicht sofort auf und lenkte meine Aufmerksamkeit sofort zu ihr und ließ meine Sorgen, Severus betreffend, wieder hochkochen.
„Schsch…“, gab ich leise, in der Hoffnung, sie zu beruhigen, zurück.
Dabei kämpfte ich selbst mit meinen Sorgen und Nöten ihn betreffend. Ging es ihm gut? Was hatte Gellert mit ihm angestellt? Weswegen war er noch dort und nicht bei uns, bei mir?
Aber da zuckte sie wieder, die heller werdende Umgebung schien eine große Wirkung auf sie zu haben, denn sie wurde immer unruhiger in meinen Armen. Plötzlich riss sie die Augen auf und ich stockte. Rotgeränderte, verschreckte, rehbraune Augen richteten sich hektisch und nicht wirklich sehend auf mich. Der Ausdruck ihrer braunen Augen offenbarte Schmerz und Pein und wirkte gehetzt. Als sie in meinen Armen empor ruckte, wäre sie mir fast entglitten, sodass ich nachgreifen musste.
„Lucius“, hauchte sie mit einiger Verzögerung erkennend und gab ihren Widerstand, von mir getragen zu werden, sofort auf und sank erschöpft zurück in meine Arme.
Und ich bemerkte mit einer gewissen Exaltiertheit, dass mir ihre Reaktion durchaus zusagte und schmeichelte, während sie sich stöhnend die Hände vor die tränenden Augen presste und augenscheinlich weiterhin Schmerzen litt, was wiederum umgehend meine Besorgnis erregte. Ein Gemütszustand, der mir gar nicht gefiel, da nicht der rechte Zeitpunkt war, um in irgendeiner Weise Schwäche zu zeigen. Das galt ihr, aber zu meinem Leidwesen auch mir, wie ich mich selbst streng in Gedanken zurechtwies. Ich verbot mir, zu viele Gefühle oder Gedanken zuzulassen, denn das stand einem Malfoy so oder so nicht gut zu Gesicht.
„Ja, ich bin es!“, murmelte ich ihr beruhigend zu und warf immer wieder einen taxierenden Blick, ob ihres Gesundheitszustandes, auf sie und versuchte, meine eigene Ungeduld Severus‘ Schicksal gegenüber zu zügeln. „Du hast ihn… du hast Severus gesehen?“, fragte ich dann doch meiner Neugierde nachgebend sehr leise und nicht wissend, was ich hören wollte und was nicht.
Indes zog ich sie noch enger an meine Brust, denn ich verspürte das zutiefst verstörende Bedürfnis, sie und mich vor dem Kommenden zu beschützen. Ich wollte sie inmitten dieser Armee mit deren verrückten Anführer vor Schaden bewahren, oder besser, vor noch mehr Pein. Wobei ich ahnte, dass die Nachrichten, Severus betreffend, uns beide mit banger Not beseelt zurücklassen würden und ich erkannte mit scharfem Blick, dass mit ihr eindeutig etwas nicht stimmte und sie alles, nur nicht auf der Höhe war.
„Was? Severus? Ja, ja, er war bei mir… bei uns… ihm geht es soweit gut, ist… ist er auch zurück?“, wisperte sie stockend und immer wieder abbrechend an meinem Hals. Ihr Atem kam unstet und ich dankte der Magie, dass sie federleicht war, sonst wäre es mir wohl unmöglich gewesen, sie derart festhaltend und nah bei mir zu behalten.
„Nein, soweit ich weiß nicht“, gab ich aufrichtig in meiner widerwilligen Antwort zurück, da ich sie wegen Severus‘ mir unbekanntem Schicksal nicht beunruhigen wollte, aber als ich ihre unbeugsame, sture Mimik zur Kenntnis nahm, war mir gegenwärtig, dass sie mehr wissen wollte und so seufzte ich geschlagen. „Als ich die Heulende Hütte verlassen habe, war er noch getrennt… von seinem Körper…“, erklärte ich widerstrebend und sehr leise flüsternd, sollte der Lord doch nicht erfahren, dass sein Anschlag auf Severus‘ Leben bisher nicht gänzlich von Erfolg gekrönt worden war.
„Was bedeutet das?“, fragte sie misstrauisch. „Was hast du getan?“
„Grindelwald war bei mir und er ist rüber auf diese andere Seite gegangen und ich war der Anker… so hat er zumindest gesagt und dann hat er… da irgendwas gemacht und Severus hat geleuchtet und all das… ganz plötzlich hat er abgebrochen und mich angesehen…“, brach ich kurz ab und wankte, aber entschied dann, dass es keine gute Idee war, ihr alles zu sagen und sprach eilig weiter. „Er war recht kompromisslos und hat mich weggeschickt. Er hat mich zu dir geschickt und das wohl keine Sekunde zu früh!“, bekannte ich akzentuiert bei jeder Silbe, um nicht zu viele unerwünschte Emotionen zuzulassen, die völlig inakzeptabel in dieser prekären Situation wären.
Ich erinnerte mich widerwillig an ihren hilflosen und verlorenen Anblick, als sie bewusstlos auf der Lichtung über Potter gelegen hatte. Auf Ewig würde mir dies im Gedächtnis bleiben, aber auch Severus‘ in Stasis gehaltener Körper sorgte dafür, dass ich mit mir kämpfen musste, um mich nicht in meinen Sorgen zu verlieren, während ich mich damit konfrontiert sah, zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie leichte und völlig indiskutable Zerrissenheit zu fühlen. Meine sich überschlagenden Gefühle ärgerten mich maßlos und waren gerade wirklich hinderlich. Ich musste hier und jetzt rational funktionieren, damit wir alle hier lebend rauskamen, weswegen ich rigide meine Emotionen sehr weit in den Hintergrund drängte. Hier, während der alles entscheidenden Schlacht, hatten diese Irrungen und Wirrungen absolut nichts zu suchen.
„Gellert… hat er das? Mhm… wo ist er?“, fragte sie träge und lenkte damit meine Aufmerksamkeit auf sich zurück.
Dabei lehnte sie sich ein wenig in meinen Armen zurück und ganz ehrlich, ohne Magie wäre das alles nicht möglich gewesen, denn seitdem sie wach war, war sie alles andere als bewegungslos und noch immer ging ich hinter Hagrid her, um an vorderster Front zu bleiben. Sie aus reiner Kraft zu tragen wäre deutlich zu anstrengend und umständlich gewesen, aber sie aus meinem Schutz zu entlassen war etwas, was ich gerade gar nicht wollte, eine ebenfalls unwillkommene Wahrheit.
„Er? Gute Frage! Er ist plötzlich verschwunden, er kam nicht mit aus dem Pentagramm… er war plötzlich vollständig… pfff… und weg…“, versuchte ich mein eigenwilliges Erlebnis zu beschreiben.
Dabei war für mich die Bedeutung, was Gellerts Verbleib auf der anderen Seite an Konsequenzen für Severus, aber auch für uns nach sich ziehen würde, nicht wirklich abschätzbar und jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich damit zu beschäftigen. Jetzt hieß es überleben und um alles andere würden wir uns später kümmern. Indes ruckte ihr Kopf so abrupt hoch, dass sie mir beinahe einen Kinnhaken vom Feinsten verpasst hätte, wenn ich nicht achtsam gewesen wäre. Kurz, nur ganz kurz verglich ich sie mit einem flohartigen Doxy. Aber gleichzeitig wich ich ihr in mannigfaltiger Art und Weise aus, da ich ihr nicht schon jetzt verraten wollte, dass die Augen des alten Mannes weiß, den ihren so ähnlich, und unheilverkündend geleuchtet hatten.
„Er ist dort drüben?“, kam es gehetzt, um nicht zu sagen leicht panisch von ihr über ihre rauen, spröden Lippen und sie riss ihre blutunterlaufenden Augen weit auf und sah mich verstört an. Wie sollte ich bei diesem Anblick nicht auch beunruhigt und besorgt sein?
Jedoch stand aufgeben nicht zur Debatte, noch war die Schlacht nicht geschlagen, auf beiden Seiten des Seins nicht.
„Um der Götter Willen…“, entwich ihr verzweifelt und ein wenig verzagt.
Sie ballte die Hände, die sie vor ihr Gesicht hielt, zu Fäusten. Innerlich stimmte ich ihr von ganzem Herzen zu, aber nach außen gab es nichts außer der glatten Malfoy-Maske.
„Ich denke, da ihr drei wiedererwacht seid, wird er nicht die falschesten Dinge getan haben, so sie denn in seiner Macht lagen!“, meinte ich ausweichend, aber mir kam es vor, als hörte sie gar nicht richtig zu.
„Gellert, was hast du getan?“, wisperte sie mit bebender Stimme unsicher und atmete kurz durch, bevor sie danach mit entschlossenem Blick zu mir hochsah und ich diesen intensiven Blick relativ gleichmütig erwiderte.
„Darum kümmern wir uns später“, meinte sie mit einem Mal wild entschlossen und ihre Stimmungsschwankung beunruhigte mich sehr, gleichzeitig ließ mich ihr Fokus innerlich frohlocken, da es zeigte, wie gut sie zu mir passte und dass auch sie die Notwendigkeit erkannte, sich jetzt auf das Wesentliches zu konzentrieren.
„Gut“, meinte ich daher langsam und vorsichtig, nicht sicher, ob ich dem so trauen durfte. „Ja, das dachte ich auch. Alles nacheinander, ich habe Severus von Gipsy ins Manor bringen lassen…“, versuchte ich ihr die Sorgen zu nehmen, die auch mich umtrieben und belasteten und bei meinen Worten stieß sie einen Seufzer aus, der auch als Schluchzen hätte gedeutet werden können.
„Gut, danke dir, Lucius!“, meinte sie atemlos und lächelte mich kurz aufrichtig, aber auch ein wenig scheu an.
Gerade jetzt wirkte sie unheimlich jung und zerrupft, aber noch beunruhigender fand ich, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, aber sie weinte nicht, nicht wirklich. Es war, als hätte sie Probleme mit ihren Augen und auf einmal zuckte sie zusammen, als wäre ihr ein abrupter Schmerz durch die Glieder gefahren und schon presste sie ihre Lider wieder fest zusammen und atmete tief ein, wie um sich selbst zur Ruhe zu rufen. Irgendwie beschlich mich das ungute Gefühl, dass dort auf der anderen Seite mehr passiert sein musste als sie mir jetzt mitteilen konnte und ich selbst sah mich ebenfalls gehemmt, ihr alles was Gellert getan hatte zu beschreiben, denn in der misslichen Umgebung und wenig erbaulichen Gesellschaft, in der wir uns soeben befanden, war das wenig passend. Das musste warten.
„Was ist mit Harry?!“, begann sie das nächste delikate Thema.
Sie wirkte besorgt und jetzt war es an mir, schwer zu seufzen. Sie gab keine Ruh und versuchte, ihren Kopf zu drehen, um zu Potter spähen zu können und minimal zwickte es mich, dass ihr Potter derart wichtig war, wobei ich indigniert zugestehen musste, dass selbst mir Potter, zu meinem Leidwesen, immer wichtiger wurde. Unfassbar, aber wahr, da aber von Potter, und nur von Potter, Sieg oder Niederlage abhingen, war er die Hauptperson in diesem makabren Spiel und man konnte von dem jungen Mann halten und denken was man mochte, aber er konnte jedem etwas vormachen. Den Avada Kedavra zu überleben an sich war schon eine einmalige Leistung, aber das Ganze mehrfach und öfters hinzulegen war geradezu fabulös, um nicht zu sagen süperb.
„Er spielt tot… und das exzellent!“, gab ich ein wenig süffisant zurück und presste sie wieder mehr an mich, um ihre Versuche zu unterbinden, mir zu entschlüpfen und verzog meine Lippen zu einem schiefen Lächeln.
„Er kann nicht sterben!“, kam es vollständig überzeugt von ihr und ich lüpfte eine so blonde Braue in ungeahnte, distinguierte Höhen.
„Wie meinen?“, ließ ich mich doch dazu hinab, explizit nachzufragen, um diesen delikaten Zustand Potters zu ergründen.
„Er ist der Master of Death!“, meinte sie sofort erklärend und klang unfassbar stolz. „Er vereinigt alle Heiligtümer in sich… dank dem Lord!“, fuhr sie in einer resignierten und von Verachtung getünchten Tonlage fort, die einem durch und durch ging und ich wandte mein aristokratisches Haupt gedankenverloren zu dem leblos anmutenden Potter.
Master of Death, Herr des Todes!
Was sagte man dazu? Was würde Severus darüber denken, dass sich Potter diesen Titel anscheinend durch großen, persönlichen Einsatz mit schon morbidem Temperament erarbeitet hatte? Bestimmt würde er sich inbrünstig darüber beschweren, dass das den Jungen noch eingebildeter werden lassen würde.
Während ich diese Leistung so oder so honorierte, schließlich hatte Potter dafür mit Sicherheit hohe Tribute gezahlt. Denn nichts gab es in diesem magischen Leben geschenkt. Gleichzeitig überlegte ich verächtlich, wie der Lord reagieren würde, wenn er es erfahren und die Bedeutung dahinter erkennen würde. Er würde bestimmt wüten, ob der Tatsache, dass ihm diese Gratifikationen versagt geblieben waren. Er, der es sich schon immer so sehr gewünscht hatte, über den Tod zu herrschen, hatte in seiner Unwissenheit seinem ärgsten Feind dabei geholfen, eben jener zu werden; Herrscher über den Tod!
An sich nivellierte dieser Fakt die Dinge und manchmal konnte das Schicksal eine verdammt launische und umso fiesere Gefährtin sein. „Mhm… der Junge war zeitlebens für Überraschungen gut…“, gestand ich dann honorig in meiner gespielten Süffisanz zu. Ich fand die Unwägbarkeiten des Schicksals immer wieder faszinierend, denn irgendwie war in meiner, der magischen Welt nichts unmöglich und alles möglich. Ich mochte behaupten, dass nicht vielen Menschen jemals vergönnt gewesen war, zu erleben, was Potter alles an Erfahrungen geschenkt bekommen hatte. Die delikate Frage war nur, wollte man wirklich dafür auserkoren sein und all dieses Unbill und die Pein durchlaufen, um das zu erfahren, was er in so jungen Jahren an Erfahrungsschatz gesammelt hatte?
Das war wohl der eklatante Unterschied. Ich musste weder alles ausprobieren noch wissen, noch kennen, noch erleben, zumindest versicherte ich mich dieser Einstellung meinerseits mit einer gewissen Autorität. Aber ich kannte jemanden, der so war und so blickte ich wieder sinnend auf Hermione hinab. Kurz dachte ich an Draco und hoffte, dass er alles bisher so gut überstanden hatte wie ich. Jedoch setzte ich auf die Malfoy-Ader in seinen Genen, die uns bisher über ein Jahrtausend geholfen hatten, uns stets den rechten Weg zur rechten Zeit zu weisen und verdrängte den Gedanken an meinen Sohn rigoros. Außerdem hatten wir ihn hervorragend ausgebildet. Er war bestens gerüstet und würde zeigen müssen, dass er auch allein bestehen konnte.
„Wie auch immer, lassen wir uns überraschen, ob die beiden es nicht doch noch schaffen, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern…“, gab ich mit einer Prise maliziöser Gehässigkeit von mir, die sogar aufrichtig gemeint war, wodurch ich mit einem wehmütigen Lächeln zu meiner Selbstironie zurückfand.
An sich war mir wirklich gleich, ob Potter lebte oder tot war, solange der Lord ebenfalls ins Gras biss würde von meiner werten Seite her alles in bester Ordnung sein!
Aber noch war es nicht so weit und all diese Irrungen und Wirrungen zehrten an meinen eh schon strapazierten und gar so adeligen Nerven. Ein schnelles Ende dieser desaströsen Schlacht wäre schön und erstrebenswert. Je eher, desto besser für uns alle und für das so ziemlich dem Erdboden gleichgemachte Hogwarts. Ich hatte mit Severus und Hermione größere Herausforderungen vor mir und die interessierten mich eklatant mehr, als das Schicksal Potters oder des Lords, oder sonst irgendeiner Person. Ich setzte eindeutig Prioritäten.
Hinzu kam, dass sich der Lord in meinen Augen auf dem Weg in die Durchschnittlichkeit befand. Dieser Dark Lord war nicht mehr einmalig. Er wurde inzwischen vergleichbar. Vergleichbarkeit führte zur Austauschbarkeit und die führte wiederum, wenn es um die Spitzenposition ging, irgendwann zur Irrelevanz.
„Was ist mit dir passiert? Warum warst du auch ohnmächtig, genauso wie der Lord und Potter?“, fragte ich wispernd mit Neugierde beseelt, da sie bisher nicht auf meine Anmaßungen reagierte.
Dann bemerkte ich jedoch ihren unverständigen Blick und schloss daraus, dass sie davon bisher keine Ahnung gehabt zu haben schien. So erzählte ich ihr in knappen Worten, was mir Rodolphus anvertraut hatte und was in der realen Welt vorgefallen war, während der Lord, Potter und sie ohnmächtig auf der Lichtung gelegen hatten. Sie lauschte interessiert und sank während ich sprach doch wieder sichtbar erschöpft an meine Brust.
„Halt“, befahl der Lord plötzlich und unterbrach ziemlich rüde meine Ausführungen.
Er stoppte abrupt meine Wiedergabe der Geschehnisse, da wirklich alles und jeder auf sein Kommando hin anhielt und sich ungemütliche Stille in unseren Reihen bereitmachte. Auch Hagrid legte einen sichtbar ruppigen Halt, vom Lord magisch erzwungen, ein. Er geriet deswegen mit seiner Fracht bedrohlich ins Taumeln, was zur Erheiterung der DeathEater beitrug. Wir befanden uns wie von selbst in vorderster Reihe, an vorderster Front, direkt neben dem Lord, der noch immer seine riesige Schlange um seine schmächtigen Schultern geschlungen hatte und wie ein Wesen aus einer anderen Welt anmutete. Daneben lag Potter malerisch tot in den Armen des Halbriesen.
Wie morbid mochte das Bild erscheinen, da auch ich jemanden, nämlich Hermione in den Armen trug und wie würde mein Sohn darauf reagieren? Schließlich löste sich der Lord aus der Formation und marschierte vor uns auf und ab, während Hermione zu Potter linste, aber ich war wie hypnotisiert und starrte auf das zerstörte Land zu meinen Füßen und versuchte, die Distanz zu wahren.
Hogwarts… in all seiner Pracht, wie es einst gewesen war, gab es nicht mehr!
Es war Geschichte, wie ich mit unerwartet schmerzhafter Wehmut registrierte. Ja, mich berührte diese Zerstörung sehr wohl, denn auch ich hatte meine Jugend hier verbracht und war erstaunt, wie sehr mich die vielen schönen Erinnerungen an meine Schulzeit gerade überrannten. Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich mich zum ersten Mal aus eigenem Antrieb und eigener Kraft etablierte und es geschafft hatte, mich und meinen Herrschaftsanspruch im Hause Slytherin mit Allgewalt durchzusetzen. Auch ich hatte dieses so monumental und sicher anmutende Gemäuer für eine kurze Zeit meines Lebens als Heimat angesehen und es wertzuschätzen gelernt. Nur war davon nun nicht mehr viel übrig.
Das Schloss war eine rauchende Ruine, ein trauriges Trümmerfeld. Viele der kleineren Türme waren verschwunden und hatten Löcher in die Mauern gerissen, wie wohl auch dem ein oder anderen Betrachter dieses Schlosses. Der ergreifendste Anblick war das große, klaffende Loch, das der eingestürzte Gryffindorturm hinterlassen hatte. Die Heimat des Hauses Gryffindor war nicht mehr. Feuer loderte im Ravenclawturm. Alles in allem war das Schloss abbruchreif. Dies war nicht mehr der sichere Hort von Kindern, die die Zukunft der magischen Welt waren. Ein leises Seufzen entwischte meinen Lippen und meine Augen huschten umher, um die Reaktionen in mir aufzunehmen. Woraufhin ich Rodolphus mit ein wenig Abstand hinter uns ausfindig machen konnte. Er starrte mit recht verbissener Miene auf das ehemals so stolze Hogwarts und wirkte alles andere als zufrieden.
Erging es ihm ähnlich wie mir, während er Hogwarts betrachtete?
Fühlte nicht nur ich diese bedauernde Wehmut, sondern auch andere der DeathEater, die diese brachiale, vollumfängliche Zerstörung nun sahen? Konnten auch sie sich nicht gegen die Erinnerung an eine bessere, eine schönere Zeit hinter diesen Mauern wehren, die mir selbst gerade prägnanter als jemals zuvor in Gedanken wiederkam? Ja, viele der hier versammelten DeathEater sah ich als junge Kinder und aufstrebende Schüler wieder vor meinem geistigen Auge aufblitzen, mich selbst mit eigeschlossen, und kam nur schwer gegen die lastende Schwermut an, die mich in den Abgrund zu ziehen drohte. Und doch begrub ich diese Gefühle tief in mir und distanzierte mich von diesen Emotionen, die mir in diesem Moment nicht hilfreich gewesen wären.
„Harry Potter, euer Auserwählter, ist tot!“, erhob der Lord seine so unmenschliche Stimme über die Verwüstung hinweg und meine tristen Gedanken wurden wirkungsvoll unterbrochen.
Da er mit magisch verstärkter Stimme sprach, dröhnten seine Worte weit über die Schlossgründe hinweg und es klang unangenehm laut und blechern. In seiner Aussage echote der Triumph des Lords bei jeder Silbe mit. Oh ja, er genoss diesen Auftritt über alle Maßen, wie sein breites Grinsen in seiner hässlichen Fratze verriet. „Harry Potter wurde getötet, als er wegrannte, als er versucht hat, sich selbst zu retten, während Ihr euer Leben für ihn gegeben habt. Wir bringen euch seine Leiche zum Beweis dafür, dass euer Held gestorben ist!“
Jetzt verdrehte der Lord auf unnachahmliche Weise die Fakten und Tatsachen und log wie gedruckt. Aber niemand wagte eine Gegendarstellung, oder sich auch nur zu rühren, so überdreht wie der Lord gerade wirkte, war ihm mal wieder alles zuzutrauen. Er war bereit, alles und jeden für seine hohen Ziele zu opfern, so wie Severus, aber auch Hogwarts, die Kinder, sowie die verbrannte, mit Blut getränkte Erde, auf der wir standen, die Gräuel und Verbrechen des Lords an der magischen Gesellschaft und den magischen Kindern kundtaten. In seinem Wahn vergaß der Lord, was seinen Anhängern schon immer wichtig gewesen war und dazu zählte nicht nur die Reinheit des Blutes, sondern auch der Schutz eben jener jungen Generation, die aus so wenigen Zauberern und Hexen bestand, vor allem im Vergleich zu den nichtmagischen Milliardenschweren Muggeln.
„Die Schlacht ist gewonnen!“, zeigte der Lord zu uns hin ein besonders grausames und lippenloses Grinsen. Sofort wurde brav und besonders laut von der Menge hinter mir gejubelt und gegrölt, während ich reglos mit ihr auf meinen Armen verharrte.
„Ihr habt viele Verluste erlitten… meine DeathEater sind in der Überzahl gegen euch und der Junge, der bisher immer überlebt hat, ist erledigt! Ihr habt verloren. Der Krieg darf nicht länger währen. Jeder, der weiterhin Widerstand leistet, ganz gleich ob Mann, Frau oder Kind, wird niedergemetzelt werden, genauso wie jedes Mitglied seiner Familie…“, drohte der Lord unverhohlen mit grausamer und unverhohlener Rache.
Meine Aufmerksamkeit galt der Armee der DeathEater. Und ich studierte sie genau, gerade einige des Inneren Zirkels, die sich unbehaglich bei dieser Drohung ansahen, waren für mich interessant und ich fühlte die versteckten, hoffnungsvollen Blicke gar einiger auf mir. Sie erhofften sich von mir, dass ich einschritt und das Schlimmste verhinderte. Niemand wollte, dass wahrhaft magisches Blut in Strömen vergossen wurde und viele fanden, dass das hier schon viel zu weit ging, aber noch war nicht der rechte Moment gekommen. Vor allem da der Lord weiter seine Litanei zum Besten gab. Er hörte sich eindeutig zu gerne reden.
„Kommt aus dem Schloss, unverzüglich, und kniet nieder! Kniet vor mir nieder und ihr werdet verschont werden. Eure Eltern und Kinder, eure Brüder und Schwestern werden leben! Überleben! Es wird ihnen und euch verziehen, und ihr werdet euch mir anschließen in der neuen Welt, die wir gemeinsam errichten!“
Unbehagliche Stille legte sich über das geschändete Gelände und auch vom zerstörten Schloss her war nichts zu hören, keine Reaktion. Der Lord schritt gerade wieder an Hagrid vorbei und er war Potter dabei so nahe, dass er eigentlich hätte bemerken müssen, dass sein Widersacher gar nicht wirklich tot war und wieder einmal den Todesfluch des Lords überlebt hatte. Jedoch schien die ausbleibende Wirkung seiner Rede auf die Gegenseite ihn zu sehr zu beschäftigen, als dass er offen für die feinen Nuancen gewesen wäre, die die Entscheidung über Sieg oder Niederlage ausmachen würden. Er ließ in seiner Aufmerksamkeit nach und ich frohlockte innerlich darüber, was das für eine Schmach sein würde, wenn der Lord alsbald bloßgestellt werden würde, eben weil Potter doch einmal mehr überlebt hatte!
Aufgrund meines expliziten Wissens mutete die Rede des Lords auf mich geradezu lächerlich an. Indes musterte ich Rodolphus‘ Gesicht, dessen Züge meine Gedanken sehr gut zusammenfassten, so wie er soeben eine abfällige Grimasse zog, da er die schlagende Ader Potters zuvor sehr wohl auf unserem Marsch gesehen und bisher geschwiegen hatte.
„Komm“, sprach der Lord scharf zu dem Wildhüter und offenbarte seine Ungeduld.
Er zog ihn wieder mit einem Wisch seines Stabes gegen seinen Willen mit sich, sodass der Koloss groß hinter dem Lord aufragte, während Nagini, die noch immer um die Schultern des Lords geschlungen dalag, ihren Kopf zischelnd erhob. Alles wartete und erst, als ich einen Schritt, beladen mit meiner süßen Fracht, vortrat, setzten sich auch die anderen in Bewegung, die uns wie eine religiöse Prozession in der immer heller werdenden Morgendämmerung folgten. Wir überschritten die arg umkämpfte Viaduktbrücke, die verwüstet worden war und ein jämmerliches Bild eines abbruchreifen Stegs bot. Der Lord sorgte mit einem Wisch seines Zauberstabes dafür, dass ganz gleich ob Geröll, oder Leichen wie Müll entsorgt und über die eingerissene Brüstung hinweggefegt wurden. Er ließ in meinen Augen damit sehr tief blicken, wie absolut gleichgültig ihm seine Diener mittlerweile geworden waren, da die Toten eindeutig Anhänger des Lords gewesen waren. Auch den toten Riesen schmiss er ohne mit der Wimper zu zucken in die Tiefe und räumte die Hindernisse brachial aus dem Weg.
„Harry…“, schluchzte Hagrid obszön und infantil und das reizte nicht mein Mitleid, eher meine Verachtung für einen derart schwachen Charakter. „Oh, Harry… Harryyyy…“, jammerte er in seinem Schmerz weiter und schniefte viel zu laut.
Während wir im Innenhof, oder was von diesem noch übrig war, ankamen, sahen wir uns noch mehr mit der Tatsache konfrontiert, dass hier in der Schule der Kinder Mord und Totschlag stattgefunden hatte. Ein Fakt, der niemandem zum Ruhme gereichte. Ich hätte mir eindeutig ein anderes Schlachtfeld ausgesucht. Aber der Lord war schon immer von Hogwarts besessen gewesen. Indes schwärmten die Truppen der DeathEater aus und positionierten sich in einer Reihe vor dem offenen Portal der Schule und sahen sich unbehaglich um. Die großen hölzernen Tore waren zerstört, eine Seite hing an ihren Angeln und die andere war völlig zersplittert, ein zutiefst trauriges Bild. Unsere Ansammlung wurde durch einen rötlichen Schimmer aus der Eingangshalle überflutet und tauchte die Szenerie in ein geheimnisvolles, aber wenig schmeichelhaftes Licht.
„NEIN!“, schrie plötzlich jemand schrecklich mitgenommen und ich wäre beinah zusammengezuckt bei diesem tragischen, zutiefst betroffenen Ton, der mir ins Hirn schoss und einen spitzen Kopfschmerz auslöste. Es war die erste Person, die zuerst vorsichtig und dann mit humpelnder Schnelligkeit, die Treppen herabkam, dabei nahm sie einen großen Stock zu Hilfe. Professor McGonagall hatte diesen schrecklich verzweifelten Laut von sich gegeben, woraufhin Bellatrix gehässig laut auflachte, da sie die Verzweiflung der ältlichen Lehrerin sichtlich bis ins Mark genoss.
Indes strömte aus dem Portal rasch eine unfassbar große Anzahl an Menschen, um selbst zu sehen, was hier passierte.
Dies waren die Überlebenden der Schlacht!
Sie waren gezeichnet, verhalten und vorsichtig, als sie sich auf die ramponierten Vordertreppen wagten, um den angeblichen Siegern entgegenzutreten und um sich von Angesicht zu Angesicht von Potters Tod zu überzeugen. Immer mehr drängten ungläubig, verweint und ihrer Hoffnungen angeblich beraubt heraus und bauten sich als die mutigen Verteidiger Hogwarts, die in meinen taxierenden Augen nicht wirklich gebrochen wirkten, vor uns auf.
Mein Augenmerk huschte zum Lord. Ob auch er registrierte, dass in den Gesichtern der Gegenseite eindeutig kein Anzeichen von Aufgabe zu erkennen war? Er stand nicht weit entfernt von mir und strich Nagini mit einem einzigen weißen Finger zärtlich über die geschuppte Haut, was mir einen widerwilligen Stich versetzte. Ich hatte die bestialische Wunde gesehen, die Nagini dem falschen Severus verpasst hatte. Die Stelle am Hals, an der sie ein großes Stück Fleisch herausgerissen, und die Blutlache, die sich am Boden der Heulenden Hütte gebildet hatte, hatten sich mir eingebrannt. Ich brachte diesem Vieh nichts weiter als bodenlosen Hass und rachsüchtige Gefühle entgegen. Ich gönnte ihr nicht weniger als den gerechten Tod und bemerkte aber sehr wohl, dass der Lord nicht wirklich das sah, was tatsächlich vor ihm passierte, sondern nur das wahrnahm, was er sehen wollte.
„Nein!“, „NEIN!“, „Potter!“, „Harry, Harry, HARRYYYY!“, kochten die fassungslosen Schreie über und lenkten meine Aufmerksamkeit wieder zum Schlossportal.
Währenddessen zogen die verzweifelten Schreie der geballten Weasley-Sippe am lautesten über das Schlachtfeld und reizten meine traktierten Nerven weiter. Wie schlimm mochte es für Potter sein, stillzuhalten und liegen zu bleiben, um die Scharade aufrechtzuerhalten und gleichzeitig zu wissen, dass diese Leute vollkommen umsonst um ihn trauerten, da er, wie meine bezaubernde Verlobte so schön betont hatte, nicht sterben konnte!
Tat er mir leid? Keine Ahnung!
Ich wusste nur, dass jeder von uns in dieser Situation seine eigene Bürde zu tragen hatte und das hier war noch lange nicht vorbei und das ließ mich unerträglich angespannt zurück. Zu vieles konnte noch nicht genau bestimmt werden, zu vieles lag noch im Dunkel der unsicheren Zukunft. Diese lauten Schreie indessen waren die Auslöser dafür, dass eine große Menge der DeathEater kreischend und brüllend Beleidigungen ausstießen und sich auf Potters Kosten amüsierten, was bei der Gegenseite gar nicht gut ankam. Ich beobachtete, wie einige engagierte junge Leute die hitzköpfigeren Charaktere unter ihnen zurückhalten mussten, damit sich diese nicht sofort erneut in die Schlacht warfen.
Es öffnete sich eine kleine Schneise, denn Weasley, Potters treues Anhängsel, und Longbottom drängten sich energisch durch die Masse nach vorne. Dahinter Zabini zusammen mit Greengrass, die sich an Zabinis Arm klammerte, der sich wiederum an Weasley festhielt. Diese Prozession mutete sonderbar an, dabei fiel mir zu meinem Erstaunen auf, dass Zabini nicht unbeschadet davongekommen war. Er taumelte sichtbar unsicher und nicht sehend umher. Der Anblick der blutigen Binde um seine Augen war grausam, aber auch Aussage genug, um zu verstehen, dass er sein Augenlicht verloren hatte und das wohl selbst Magie nicht in der Lage war, im Augenblick etwas daran zu ändern. Jedoch gab er sich nicht so hilflos wie jemand, der wirklich gar nichts sah, wie mir schien hatte man einen Zauber angewandt, der seine Sinne schärfte und dafür sorgte, dass er seine Umgebung nun anders wahrnahm. Auch war sein Zauberstab künstlich verlängert worden und er benützte ihn als Blindenstab, was in der verwüsteten Umgebung gar nicht mal dumm war. Aber interessieren, wie dieser Junge es geschafft hatte, sein Augenlicht zu verlieren, würde mich schon, wenn ich ehrlich war.
„Ruhe!“, herrschte der Lord dröhnend über die Geräusche hinweg, gefolgt von einem lauten, ohrenbetäubenden Knall und einem hellen Lichtblitz, woraufhin alle magisch zum Schweigen verdonnert wurden, nur der Lord nicht. „Es ist vorbei! Leg Potter zu meinen Füßen ab, da hin… wo er hingehört!“, genoss er seine drangsalierende Machtdemonstration und schon beugten sich die Knie Hagrids völlig gegen dessen Willen und er legte Potter auf den Boden, für dem Lord viel zu sanft und viel zu vorsichtig.
„Seht ihr?“, fragte der Lord beinah schon süßlich zu seinen Gegnern.
Dabei ging er nahe an Potter vorbei und seine nackten, weiße Füße drückten sich in den schlammigen Boden und hinterließen dort ihre Spuren „Harry Potter ist tot! Versteht ihr jetzt? Ihr Betrogenen… er war niemals etwas anderes als ein gewöhnlicher Junge, der sich darauf verließ, dass sich andere für ihn aufopferten, er war wahrlich nichts Besonderes!“
„Er hat dich besiegt!“, konterte Weasley mit der todesmutigen Courage, die er schon mir und Grindelwald in der Hütte gegenüber gezeigt hatte und die ich immer wieder amüsant fand.
Ich zollte seinem grenzenlosen Mut Respekt, denn diesen frechen Ton auch gegenüber dem so labilen Dark Lord anzuschlagen, war nichts anderes als todesmutig und sehr tollkühn. In dem Moment, als Weasley sprach, fiel der Zauber und die Verteidiger Hogwarts schrien und riefen erneut ihre Wut hinaus, bis ein zweiter, noch mächtigerer Knall ihre Stimmen von Neuem erstickte. Als Hermione unruhig wurde und auf meinen Armen zu zappeln begann und mir bedeutete, herunter zu wollen, wusste ich, es war wichtig, aber ich wollte sie nicht jetzt schon loslassen.
Währenddessen las ich in den Gesichtern der Menschen, dass nicht jeder bodenlos erstaunt war, dass Potter tot sein könnte. Man hatte es zum Teil erwartet, vielleicht sogar erhofft, dass er seinem Schicksal nachkam. Menschen konnten so bösartig und absolut fies sein, aber sobald es um ihr eigenes Überleben ging, kam das Mitgefühl mit dem Einzelnen und dessen Schicksal oft nicht wirklich hinterher. Eine unschöne, aber umso wahrere Tatsache!
Draco! Da war mein Sohn!
Er lebte!
Lucius Sicht Ende
Dracos Sicht
Pause?
Plötzlich verstummte jeglicher Kampfeslärm, was dann passierte, kann ich nicht mal richtig sagen, aber ich machte mich auf den Weg zur großen Halle.
Ich kam nur langsam voran. Das plötzliche Ende der Kämpfe hatte mich geradezu in ein Loch stürzen lassen. In meinen Adern hatte das Adrenalin bisher förmlich gebrannt, so sehr hatten mich die äußerst knappe Flucht aus dem Raum der Wünsche, Crabbes Tod und vor allem dann auch noch Freds und Blaises Schicksal als lebende Fackeln aufgewühlt, doch jetzt, wo alles auf einmal in hektische, aber vergleichsweise ruhige Betriebsamkeit überging, fühlte ich mich nur noch betäubt und stand irgendwie neben mir. Nur langsam wurde mir bewusst, wie knapp ich im Raum der Wünsche einem scheußlichen Tod in den Flammen entgangen war. Um mich herum räumten die Leute Trümmer weg, befreiten Verwundete oder legten auch Tote frei, während sich andere mit und ohne Hilfe in Richtung Halle schleppten.
Als ich beinah über einen Haufen stolperte, wanderten meine Augen über eine zerrissene Gestalt, erkennbar nur noch an den Gliedmaßen, die vom Rumpf abstanden. Wo der Kopf hätte sein müssen, glänzte dunkelrote Nässe. Die Kleidung hing in Fetzen herab und ließ sich kaum noch von Haut und Fleisch unterscheiden. Die Eingeweide waren aus der Körpermitte herausgezerrt worden, zersplitterte Rippen stachen hell aus dem matschigen Brei heraus. Eine Brust, eine Frauenbrust halb abgerissen. Einer der Arme, lediglich ein paar Fasern verbanden ihn noch mit dem Schultergelenk, als hätte man ihn um sich selbst gedreht, so wie man einen Hähnchenschenkel vom Rest des Bratens löste. Eines der Beine stand in einem grotesken Winkel vom Rumpf ab. Der Geruch, der von dem aufgerissenen Köper aufstieg, verursachte mir Übelkeit. Ich wollte weitergehen, dieser Frau war nicht mehr zu helfen, als mein Fuß gegen etwas stieß. Ein Auge starrte blicklos zu mir hinauf, an der Stirn klebten die kurzen Haare und in der Wange klaffte ein großes, schwarzes Loch, helle, weiße Dinger streckten darin. Zähne!
Ich wich rückwärts, das war ein junges Ding, das war kein DeathEater, das war eines ihrer Opfer. Ein Mädchen, eine Schülerin, ich erkannte sie nicht und wandte mich schnell ab. Somit bewegte ich mich unbewusst auf die Große Halle zu, in dem Bemühen, die Bilder aus meinem Geiste zu verdrängen. Im Prinzip hatte ich meine Aufgaben erfüllt. Die VenTes arbeiteten völlig selbstständig in fantastischen Teams, die völlig autark waren und keine Einmischung brauchten. Sie hatten ihre Befehle und alles andere ergab sich. Genauso liefen die DA und BL wie das eingespielte Team, das sie sein sollten, kurz um, wir hatten die Vertreter gut gewählt und ich hatte mich jedenfalls als Befehlsgeber unnötig gemacht. Meinen großen Auftritt in der Großen Halle hatte ich gehabt, aber auch mehr, um allen nicht Eingeweihten zu offenbaren, was ich initiiert hatte, als ihnen Befehle zu geben, denn meine Leute wussten, was zu tun war, auch ohne meine Ansprache.
Immer wieder kam ich an Verwundeten vorbei, doch ich verspürte keine Veranlassung, irgendwo einzugreifen, vielleicht weil ich niemanden sah, der mir sonderlich wichtig war. Ihnen würde schon geholfen werden, so war das auf dieser Seite, anders als bei den DeathEatern, die ihre Toten nicht mal mitgenommen und sogar ihre Verwundeten zum Teil nicht weiter beachtet hatten und die jetzt von unseren Leuten, einer nach dem anderen, erlöst wurden, da wir keine Gefangenen machten. Jeder war sich selbst der Nächste und ein bisschen davon trug ich auch in mir. Ich war mir sicher, meine Leute, meine Familie, sie alle sorgten für sich selbst und brauchten kein Kindermädchen.
Das Schloss war fertig, es sah wirklich mitleiderregend aus. Kein Fenster, kein Gang, keine Treppe und kein Zimmer schienen unversehrt. Überall lagen Trümmer und immer wieder rieselte es von den Decken steinigen Staub hinab. All das kümmerte mich jedoch wenig, auch wenn mich das, was aus dem einst mächtigen Schloss geworden war, traurig machte.
Hätte ich anders reagieren sollen auf all dies, überlegte ich abgestumpft, während ich die große Eingangshalle betrat und auch hier die massiven Beschädigungen reglos zur Kenntnis nahm. Ich hatte das Gefühl, wie in Watte gepackt zu sein, nichts kam so richtig an mich heran. Auch eine Art, mit dem hier umzugehen. Offenbar war ich wirklich langsam empfindungslos. Vielleicht weil ich schon wieder, zum zweiten Mal in wenigen Monaten, nur um ein Haar dem Tod entkommen war?
Erst Vater, der den Avada auf Blaise gefeuert und aufgrund des Blutschwurs eigentlich mich getroffen hatte und nun das Feuer und mein Sturz, meine Rettung durch Hermione.
Nur am Rand nahm ich wahr, dass Greg und seine Padma mit ihrer Schwester neben einem am Boden liegenden Mädchen kauerten und absolut aufgelöst wirkten, während Greg versuchte, seine Freundin zu trösten. Brown, erkannte ich nach einem Blick auf ihr wachsbleiches Gesicht, interessierte mich aber auch nicht weiter. Was sollte ich schon tun, ich war kein Heilmagier.
Langsam trat ich durch das Portal zur Großen Halle und verharrte mitten in der zerstörten Tür. Die Halle hatte sich erneut völlig verändert und dies nicht nur in ihrem Aussehen, nein, auch die Stimmung war eine völlig andere als vor einigen Stunden. Hatten wir uns vor kurzem alle für den Kampf versammelt und eingeschworen, war aus der Halle, dem Mittelpunkt der Schule, nun eher ein Lazarett und Totenlager geworden. Die immensen Opfer dieser Schlacht so geballt vor mir zu sehen, ließ mich zusammenzucken. Bis hierhin hatte ich mich dahinter verstecken können, dass es nur wenige getroffen hatte, dabei waren die Töne mitunter das Schlimmste. Gestöhne, Geschrei, Gewisper, Geweine, all diese Geräusche, die nicht verhehlen konnten, wie schrecklich das alles war und dieser bittere, metallische Geruch nach Blut und unangenehm süßlichem Tod und beißendem Antiseptikum. Mir schnürte es den Hals förmlich zu und ich musste schwer atmend schlucken, bis ich recht grob aus meiner Starre gerissen wurde, da ich von hinten hart angestoßen wurde.
„Aus dem Weg, Mr. Malfoy“, vernahm ich die herrische Stimme von McGonagall und erkannte überrascht, dass sie mich mit einem Gehstock aus dem Weg schob.
„Können Sie Sprout helfen?“, kam Abbott neben ihr zum Stehen und wirkte aufgelöst.
„Professor Sprout ist nicht mehr zu helfen!“, schnitt McGonagall dem Mädchen rigoros das Wort ab und humpelte davon. Offenbar hatte auch sie in dieser Schlacht eine Verletzung erlitten, denn sie humpelte erkennbar, was sie aber nicht davon abhielt, ihrer Aufgabe als Direktorin nachzukommen, denn hinter ihr wurden Verwundete in die Halle getragen und sie delegierte jeden an einen freien Platz. Es war eigenartig, die ehrwürdige Lehrerin, die sich immer so steif hielt und unverwüstlich wirkte, mit dem Stock zu sehen, aber sie hielt sich weiter aufrecht und ließ sich nicht anmerken, dass sie damit irgendwas von ihrer Durchsetzungskraft oder ihrer Tatkraft verloren haben könnte.
Kommentarlos trat ich zur Seite und hörte nur das Rauschen in meinen Ohren, als ich die Information aufnahm, dass eine Lehrerin gestorben war, aber ich besaß nicht genug Energie oder Neugier, um in Erfahrung bringen zu wollen, wie. Ich ließ meinen Blick bewusster durch die Halle schweifen. Erst jetzt nahm ich wirklich wahr, wen und was genau ich hier sah. Auf der einen Seite der Halle lagen und saßen Zauberer und Hexen auf dem Boden und den Bänken am Rand, versorgten selbst ihre Verletzungen, oder wurden von Madame Pomfrey und einigen anderen Schülern geheilt. In der anderen Hälfte der Halle jedoch bot sich mir ein wirklich erschreckend trauriger Anblick. Reihe um Reihe lagen hier unter weißen Laken leblose Körper. Einige Tücher verdeckten die ganze Gestalt, aber die meisten Gesichter waren unbedeckt.
Es waren so viele, so schrecklich viele. Mir stockte erneut der Atem, jetzt, wo ich wirklich die Opfer aufgereiht vor mir sah, konnte ich die Augen nicht davor verschließen, was diese Schlacht uns schon gekostet hatte. Langsam ging ich die Reihen der Opfer entlang. Crabbe würde nicht hier liegen, kam es mir in den Sinn und ich fragte mich, wie viele wir noch vermissten, die wir nie wiederfinden würden. Genauso den kleinen Creevey, der sich todesmutig vor Astoria geschmissen und es mit dem Leben bezahlt hatte. Bei dem Gedanken kam Wut in mir auf. Wut auf Wena, diese dämliche, bescheuerte und echt nervige Veela. Jede Begegnung mit einer ihres Volkes vergrößerte wirklich noch mehr meine Abscheu ihnen gegenüber.
Ich hasste die Veela.
Verdutzt blieb ich stehen und meine hasserfüllten Gedanken an Wena, die zum Glück für sie ihre Dummheit schon mit dem Tod bezahlt hatte, verpufften überraschenderweise, als mein Blick auf ein Paar fiel. Da lag der nervige, ach so korrekte und schrecklich moralische Wolf und seine Frau, meine Cousine, hockte zusammengesunken, wie ein Häuflein Elend, ganz allein am Boden und hielt ihre Finger mit denen des Toten verschränkt, vereint. Kurz war ich versucht, zu ihr zu gehen. Doch warum? Sie bedeutete mir nichts, ich kannte sie nicht mal besonders gut. Ihr sonst oft so farbenfrohes Haar war mausgrau, wohl nicht nur vom Staub der Schlacht, sondern auch aus sich heraus. Viel mehr konnte ich nicht erkennen, denn ihr von der Schlacht gezeichneter Umhang umhüllte ihre schmale Figur und die Haare fielen ihr ins Gesicht. Sie hielt die Hand ihres toten Ehemannes nun an ihre Lippen.
Wo war Black? Ich hätte erwartet, dass er hier sein würde, bei seinem letzten, verbliebenen Freund, doch ich konnte ihn nicht erblicken. Überraschenderweise traf es mich, sie hier zu sehen, wie sie trauerte. Ich hatte bis auf die letzten Monate, die sie in Hermiones Stadthaus gelebt hatte, bisher nie mit ihr zu tun gehabt, aber dennoch, sie war meine Cousine und somit irgendwie ein Teil meiner Familie. Vielleicht lag es auch daran, dass ich in die Geburt ihres Sohnes so sehr eingebunden gewesen war und seine ersten Lebensminuten miterlebt hatte. Solche Erlebnisse schafften eine Verbindung, ob man nun wollte, oder nicht. Löste ihre Trauer in mir etwas? Ich fühlte tief in mich hinein und spürte wenig Trauer, eher Bedauern für ihren Sohn, der ohne Vater würde aufwachsen müssen. Wobei, vielleicht war das auch besser, bei dem Vater, konnte ich mir nicht verkneifen zu denken und wenn es für Potter so lief, wie es laufen könnte, sogar ohne Paten.
Langsam löste ich mich von diesem Anblick, bevor sie mich noch bemerkte und ich am Ende sogar noch mit ihr reden musste. Darauf hatte ich absolut keine Lust. Ich ließ meinen Blick über die weißen Tücher schweifen, unweigerlich blieb er an einer großen Gruppe Rotschöpfe hängen, die um einen Körper knieten, hockten und standen und versuchten, sich gegenseitig Halt zu geben.
Die Weasleys!
Fred!
Mein Herz wurde bleischwer in meiner Brust und ich atmete stockend. Fred zu verlieren war für mich schwerer als ich jemals zugeben würde. Ja, er war ein Weasley und doch, ich hatte ihn als Freund betrachtet, als guten Freund.
Ja, er würde nicht ganz weg sein, er war sogar jetzt dort drüben, bei ihnen, und schwebte sachte in der Luft rum, aber machte es das wieder gut? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und wollte mich jetzt auch nicht damit beschäftigen. Fred, so wie ich ihn kannte und mochte, war weg und doch war er noch immer da und würde es bleiben. Es war eigenartig und selbst wenn ich als Zauberer an viele ungewöhnliche und wunderliche Dinge gewöhnt war, gab es noch Begebenheiten, die selbst mich auf die Probe stellten. Ganz zu schweigen davon, wie viele absonderliche und eigenartige Ereignisse und Dinge ich erlebt und erfahren hatte, seitdem ich Hermione und auch Potter in meinem Leben hatte.
Aber Fred, als Geisterwesen, das war dann noch mal eine ganz andere Klasse. Ich wollte mich schon abwenden, da drehte sich Ron, Potters stetes Anhängsel, zu mir um und winkte mich heran. Zögernd trat ich einen Schritt auf die Gruppe zu, doch dann stockte ich. Was sollte ich bei ihnen, bei dieser Familie? Das waren die Weasleys und Fred war nicht tot, nicht wirklich, ich bremste, schüttelte den Kopf und wandte mich harsch ab. Ich wollte mich nicht mit dieser Familie und ihrer Trauer auseinandersetzen.
Ich drehte den Toten den Rücken zu, versuchte, sie auszublenden und ließ meinen Blick stattdessen über die Lebenden wandern, oder über die, die noch lebten. Ich sah niemanden, bei dem ich den Drang verspürte, zu ihm zu gehen. Viele schienen nur leicht verletzt zu sein, kleine Blessuren trugen wir alle davon, aber ich erkannte auch, wie angespannt und angestrengt Madame Pomfrey ihre Magie wirkte und sie anscheinend gar nicht mehr wusste, wo sie zuerst helfen sollte. Sie schien erschöpft und die Schüler und VenTes, die wir in Heilmagie geschult hatten, konnten meist nur bei einfachen Verletzungen helfen, oder Tränke verabreichen. Keiner von ihnen war ein voll ausgebildeter Heilmagier, wie es Madame Pomfrey war. Immer noch tröpfelten nach und nach Leute in die Halle, die von überall im Schloss kamen und auch immer mehr Verletzte mitbrachten.
Die letzte, alles entscheidende Schlacht in Hogwarts zu führen war Wahnsinn. So viele magische Kinder hätten hier sein können, auch die Kinder der DeathEater. Ich war noch nicht sicher, wann Vater diesen Trumpf ausspielen wollte, aber noch war die Gelegenheit nicht günstig, zu offenbaren, dass ich die Kinder hatte. Der Zeitpunkt würde kommen und ich war gespannt, was den DeathEatern am Ende mehr bedeutete, ihr eigenes Blut, oder ihre Gefolgschaft zum Lord.
Mein Blick blieb an einer Hexe und einem Zauberer hängen, die nebeneinander, aneinander gelehnt an der Seite auf einer Bank saßen und sich leise unterhielten. Langsam setzte ich mich in Bewegung und ging auf die beiden zu. Astoria hatte ihren Arm um Blaise gelegt und dieser seinen Kopf auf ihre Schulter. Sie wirkten so vertraut, aber es störte mich nicht. Eher freute es mich, dass offenbar die Erlebnisse dieser Schlacht auch sie wieder näher zueinander gebracht hatten. Astoria und ich hatten in den letzten Monaten zueinander gefunden und ich war mir sicher, sie würde bei mir bleiben und nicht Blaise zurückhaben wollen. Aber in der Not war sie für ihn da und das war gut so. Als ich bei ihnen ankam, blickte Astoria zu mir auf, während Blaise weiter seinen Kopf gesenkt hielt und sich nicht rührte. Bei näherer Betrachtung wirkte seine Binde um die Augen blutgetränkt.
„Draco…“, hauchte sie erleichtert und löste ihren Arm von Blaise, erhob sich langsam und umschlang mich dann mit ihren Armen.
„… zum Glück…“, mehr verstand ich nicht von dem was sie gegen meine Haut wisperte, während auch ich geradezu bedächtig meine Arme um sie schlang und sie festhielt.
Erst jetzt bemerkte ich, wie erleichtert ich war, dass ich sowohl sie als auch Blaise hier lebend gefunden hatte. Ich hatte nicht daran denken mögen, dass es meine Freunde, meine Familie getroffen haben könnte. Sie konnten auf sich aufpassen. Severus, Hermione und Vater, auch sie würden überleben.
„Wie geht es euch? Blaise, was ist mit dir?“, fragte ich schließlich, während ich mich nach einer gefühlten Ewigkeit von Astoria löste.
„Mich kriegt nichts tot“, witzelte Blaise, typisch locker, aber er hob auch nicht den Kopf an, derweil ließ sich Astoria wieder neben ihm auf die Bank sinken, dabei ergriff sie meine Hand und hielt sie.
„Das ist nicht witzig“, zischte Astoria hitzig und fuhr Blaise an, doch dieser grinste nur nachsichtig.
Zuletzt von queenie am Mi Feb 26, 2020 4:17 am bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
queenie Königin
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Thema: The end is nigh II Mi Feb 26, 2020 4:03 am
„Mensch, Malfoy, warum rennst du denn weg?“, wurde die Unterhaltung von Weasley unterbrochen und er drängte sich an mir vorbei.
„Hey, Ron…“, grinste ihm Blaise mit der blutigen Binde entgegen.
„Fuck, Blaise… was ist das für ein Mist, deine Augen?“, entfuhr es Weasley entsetzt und er fuhr sich durch seine verdreckten roten, viel zu langen Haare.
„Was willst du, Weasley? Solltest du nicht bei deiner Familie sein?“, ging ich gar nicht auf Weasley ein, sondern blickte ihn kühl an.
„Jaja, gleich. Gerade streiten sie wegen Percy, nachdem sie verdaut haben, dass Fred irgendwie auch weiterhin da sein wird, obwohl sein Körper da rumliegt und Percy ist wach, aber neben der Spur. Bill schimpft auf Percy, Mum auf Bill und Fred und George heizen wie immer den Streit zusätzlich noch an, während Dad zu vermitteln versucht und Ginny an Wood rumhängt. Das nervt gerade nur…“, verdrehte er die Augen und wackelte mit dem Kopf hin und her, sodass er dabei gefährlich den Devils ähnelte.
„Du laberst rum!“, meinte Blaise nachsichtig und Weasley wirkte ertappt.
„Ich wollte euch das hier bringen“, hob er die Hand und hielt mir einen schwarzen, improvisierten Beutel vor die Nase, der beim genaueren Hinsehen eher ein zusammengeknoteter Umhang war.
„Was soll das sein? Halt mir das doch nicht so ins Gesicht“, tippte ich mit spitzem Finger etwas angewidert gegen den dreckigen Stoff und schob ihn aus meinem Gesichtsfeld.
„Was hat er da?“, mischte sich Blaise ein und Weasley lenkte wieder seinen Blick auf ihn.
„Hey, was ist denn mit dir los, Alter?“, schien Weasley aufrichtig und ernsthaft um seinen Freund besorgt zu sein.
„Ach nichts, kleines Andenken von meiner Alten!“, wiegelte Blaise mit versucht schlechten Humor ab und wedelte wegwerfend mit der Hand.
„Was ist mit deinen Augen?“, ließ Weasley jedoch nicht locker und deutete fragend auf Astoria.
„Er wurde von einem Zauber getroffen und fing Feuer… er kann nicht mehr sehen“, antwortete Astoria an Blaises Stelle ein wenig tonlos.
„Scheiße… wird das wieder?“, entfuhr es Weasley wenig elegant, aber doch sehr treffend.
„Du sagst es, Ron“, pflichtete ihm Astoria freudlos bei und hatte wieder einen Arm um Blaise gelegt, während sie weiter mit der anderen Hand meine hielt.
Ein eigenartiges Bild, aber für mich fühlte es sich gut an. Wir waren Freunde, das hier war ein Teil meiner Familie. Wenn ich jetzt bei irgendwem im Schloss sein wollte, dann hier bei ihnen, Weasley mal ausgenommen.
„Ach Quatsch! Jetzt seid mal nicht so melodramatisch, Dramaqueens sind Malfoys, stellt euch mal nicht so an. Pomfrey sagt, das könnte vorbeigehen, ich muss nur brav die Salbe einwirken lassen, die sie mir aufgetragen hat und dann wird’s schon wieder und wenn nicht, bin ich der Held, der im Krieg verletzt wurde. Hey, die Mädels werden darauf fliegen und die dumme Veela bin ich auch los, wenn das der Preis war, dann war er es wert!“, klang er für meine Ohren zu aufgesetzt optimistisch.
Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu hören, dass er nicht so zuversichtlich gestimmt war wie er es vorgab und mir waren Gellerts Worte noch gut im Gedächtnis, die kein gutes zukünftiges Bild für seine Sehkraft gezeichnet hatten. Aber Blaise hatte es noch nie leiden können, wenn man ihn bemutterte, oder gar bemitleidete. Dass er Astorias Fürsorge zuließ, zeigte mir recht deutlich, dass es ihm schlecht ging. Oder genoss er es einfach, dass sie sich wieder angenähert hatten?
„Wena ist tot?“, fragte nun Weasley perplex und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen.
„Sie ist nicht hier, ist mit Creevey in die Schlucht gestürzt“, resümierte ich recht emotionslos. Um Creevey war es schade, aber Wena würde ich keine Sekunde nachtrauern.
„Scheiße, welcher…“, murmelte Weasley und stockte, als sein Augenmerk an einer kleinen Person haltmachte, die herzerweichend an Pansys Hals weinte. „Oh, verstehe… armer Dennis!“
„Also, was ist das da?“, deutete ich noch immer leicht angewidert auf den Sack in Weasleys Händen, denn ich hatte keine Lust, weiter über Verluste zu sprechen, die uns zwar trafen, mich persönlich aber nicht in tiefe Trauer stürzten, sodass ich mich nicht länger mit ihnen beschäftigen wollte. Und ewig würde diese Ruhepause auch nicht andauern. Wir hatten keine Zeit zu verschwenden.
„Achso, ja… ähm. Das sind Basiliskenzähne!“, begann Weasley stockend. „Eigentlich wollte ich Blaise und Astoria einen geben, für den Fall. Ihr wisst schon, die Schlange…“, blieb er vage, aber wir alle wussten, worum es ging.
„Ich war in der Kammer des Schreckens und habe sie geholt. Doch so, Malfoy, vielleicht solltest du auch einen nehmen, statt Blaise“, überlegte Weasley und knotete den Stofffetzen auf und hielt uns mehrere weiße, glatte, lange Zähne hin, die ein bisschen wirkten wie gebogene, weiße Dolche.
„Cool und schade, dass ich das Viech jetzt nicht mehr töten kann“, kommentierte Blaise und reckte seinen Hals. Unterdessen griff Astoria begierig zu und nahm sich einen der Zähne, um ihn genau zu betrachten, dafür musste sie meine Hand loslassen, was mir nicht wirklich gefiel.
„Na gut“, zuckte ich mit den Schultern und nahm ebenfalls einen Zahn, aber ich steckte ihn ohne weitere Betrachtungen ein.
Ich war mir ziemlich sicher, nicht der Held zu sein, der Nagini tötete, egal wie sehr mir diese Schlange zuwider war. Ich war kein Held und ich würde mich nicht vorwagen, nur um die Drecksarbeit zu verrichten. Das war eine Aufgabe für einen wahren Gryffindor, aber nicht für mich. Ich würde diese Schlacht überleben und das tat man nicht, indem man sich nach vorne drängte. War ich ein Feigling?
Nein, ich war einfach nicht dämlich und hatte keinen Heldenkomplex. Selbst Dublin hatte ich nicht initiiert, weil ich ein Held sein wollte, sondern um eine wahre Größe und Macht in diesem Krieg zu sein und letztendlich hatte ich eine so gut geölte Maschinerie erschaffen, dass ich fast überflüssig geworden war. Ich war der Gründer und Ideengeber, aber im Laufe der Zeit hatte es sich verselbstständigt und war gewachsen und zu mehr geworden als ich je geplant gehabt hatte.
„Okay, ich geh mal die anderen Zähne auch noch verteilen an die BL und so…“, nickte uns Weasley zu und drehte ab.
Mein Instinkt meldete sich, ich hatte das ungute Gefühl, dass er die Flucht ergriff, denn sein abrupter Abgang passte so gar nicht und sein Blick zu mir gefiel mir auch nicht.
„Weasley! Warte!“, hielt ich ihn daher zurück. „Was willst du, Malfoy?“, blaffte er geradezu zurück und blieb stehen und ich hob verwundert eine Braue ob seines Tons.
„Warum bist du nicht bei den anderen beiden, ihr seid das Trio? Solltest du nicht bei Potter und Hermione sein?“, fragte ich ein wenig ungehalten.
„Pfff, die haben mich hierhergeschickt, damit uns Nagini nicht durch die Lappen geht“, wiegelte Weasley wenig überzeugend ab. „Ich bin das Back-up!“
„Unfug, ich will wissen, was du verheimlichst“, befahl ich kalt und war von einem auf den anderen Augenblick wieder der Anführer und nicht der Freund unter Gleichgesinnten.
„Es ist alles in Ordnung!“, versuchte Weasley, aber seine Augen huschten unstet umher.
„So klingst du nicht“, argwöhnte Blaise und wirkte auch angespannt.
„Danke!“, fuhr Weasleys unversöhnlicher Blick zu dem Blinden. „Ich weiß nicht. Ich war ja auch nicht bis zum Ende dabei“, begann er stotternd, erkennend, dass ich ihn sowieso nicht davonkommen lassen würde, bis er offenbart hatte, was er verheimlichen wollte.
„Das soll heißen?“, hakte ich scharf nach, da in mir Besorgnis aufkeimte.
„Snape, er wurde verletzt, schwer verletzt. Hermione und Malfoy waren bei ihm… ich weiß nicht, was mit ihm ist. Nagini hat ihn gebissen…Voldemort…“, stotterte er und ich versuchte, daraus schlau zu werden.
In meinem Magen ballte sich ein Klumpen und ich hatte das Gefühl, mir wurde schlecht. Ich war nicht darauf vorbereitet, zu erfahren, dass Severus verletzt worden war. Hatte niemals damit gerechnet. Was war schief gegangen? Naginis Biss an sich konnte ihm nichts anhaben. Er war immun gegen ihr Gift, wir alle waren es, also was war passiert?
„Jetzt komm schon, raus mit den Details, Weasley!“, blaffte ich ihn daher ungehalten an.
Weasley atmete tief ein, bevor er zu sprechen begann und nun flüssiger und sicherer berichtete, was Potter, Hermione und er beobachtet hatten. Ich war beunruhigt. Nur dass Vater sich um Severus gekümmert hatte und offenbar der Ansicht war, dass Severus nicht tot war, ließ mich hoffen und konnte meine Sorge dämpfen. Als Weasley schließlich seinen Bericht beendet hatte, trat ein schweres Schweigen ein.
Ich fuhr mir fahrig mit den Händen übers Gesicht und seufzte schon wieder. Jetzt konnte ich sowieso nichts tun, Vater und Hermione wussten, was zu tun war, das versuchte ich mir einzureden und nicht weiter daran zu denken. Unterdessen war Astoria aufgestanden und hatte meine Hand ergriffen, sich an mich gelehnt.
„Snape ist stark, er wird es schaffen“, versuchte sie mich aufzumuntern, aber wohl uns alle zu beruhigen und dabei zuversichtlich zu klingen.
„Ja, das wird er“, stimmte Blaise knapp nickend zu und auch ich nickte, denn so musste es sein.
„Ich bin weg“, suchte Weasley nun wirklich sein Heil in der Flucht und wartete gar nicht ab, hatte sich bei den Worten schon fast umgedreht.
Offenbar befürchtete er, dass er als Überbringer der schlechten Nachricht meine Laune abbekommen würde. Mir war‘s egal, sollte er abhauen, doch ich stockte, denn in mir keimte die Vermutung, dass er mir nicht alles gesagt hatte, aber ich war fertig. Erschöpft ließ ich mich auf die Bank sinken und Astoria folgte mir. So saßen wir drei, Blaise rechts, ich links und Astoria zwischen uns einige Minuten schweigend beieinander.
Unsere kurze Ruhe wurde gestört, als plötzlich eine blecherne Stimme über die Schlossgründe selbst bis zu uns ins Innere des Gebäudes drang und Bewegung in die Große Halle kam und immer mehr Leute zum Ausgang zu strömen begannen.
„Was ist da los? Wir sollten auch raus gehen“, beobachtete Astoria die aufgeregte Masse.
„Was denn?“, fragte Blaise irritiert über den Aufbruchslärm.
„Wir gehen raus, komm“, ergriff Astoria Blaises Hand und erst da fiel mir auf, dass sein Zauberstab von irgendwem zu einem Blindenstock verlängert worden war.
Er kam gut vorwärts, aber trotzdem ließ er sich führen, während ich an ihrer anderen Seite aufstand und wir zu dritt hinausgingen.
Vor den Toren des Schlosses bot sich genau das gleiche Bild der bitteren, enormen und absolut surrealen Zerstörung Hogwarts, wie ich sie auch in den Gängen und Hallen gesehen hatte. Hogwarts würde nie mehr sein, wie es einst gewesen war. Immer mehr Zauberer und Hexen strömten hinaus, wo sie von den DeathEatern, angeführt vom Dark Lord, erwartet wurden.
Begleitet wurde die Truppe schwarz gewandeter Zauberer und Hexen von Hagrid, der den reglosen Potter auf seinen Armen trug und herzzerreißend heulte. Die Szenerie wirkte wie nicht von dieser Welt. Mein Blick schweifte über die Reihen der DeathEater. Eine minimale Entspannung keimte in mir auf, da ich den hellblonden, beinah weißen Haarschopf der Malfoys selbst auf die Entfernung spielend leicht ausfindig machen konnte.
Meine Augen fuhren zu ihr, ein kurzer flackernder Zug der Überraschung und Sorge huschten in mein Herz, da Vater sie trug. Aber dann sah ich wieder nur Vater an und fand zu meiner eines Malfoy würdigen Maske der Gleichgültigkeit zurück, woraufhin er mir sachte zunickte, was ich mit einem minimalen Nicken zurückgab.
Dann plötzlich stand Hermione wacklig auf den Beinen, aber sie lebte. Bleich, dreckig und müde, aber am Leben. Neben ihr, zu gerade, sie stützend, stand mein Vater. Anders als Hermione war er geradezu das strahlende Leben. Seine Haare waren ordentlich gekämmt, sein Umhang jedenfalls aus der Entfernung sauber und ohne Schäden und seine Haltung ließ keine Erschöpfung oder gar Müdigkeit erkennen. Er zeigte keine Regung. Sie lebten beide und ich konnte nur hoffen, dass es auch auf Severus zutraf, wo immer er auch war.
Dracos Sicht Ende
Hermiones Sicht
Die Schmerzen waren so unfassbar schlimm geworden, dass sie mich beinah verrückt werden ließen. Schmerzen, die ich nur mit denen nach meiner Begegnung mit den Túatha Dé Danann vergleichen konnte. Ja, ich war reichlich an schmerzhafte Erfahrungen gewöhnt und abgehärtet, aber auf solche Pein hätte ich getrost mal wieder verzichten können. Wie so oft wurde ich wie ein Spielball hin und her geworfen und dann mit einem Schlag hörte meine Welt auf sich zu drehen.
Dunkelheit, Finsternis, Schwärze!
Nur um danach mit einem monumentalen Knall alle Sinneswahrnehmung mit Allgewalt zurückzubekommen. Ich fühlte mich orientierungslos und überfordert, dabei schlug mir der erdige Geruch des Verbotenen Waldes zu intensiv entgegen, aber auch der metallische Geruch von Blut, der sofort meinen Würgereflex reizte. Ich spürte starke Arme und Hände, die mich umfangen hielten und die auf meiner Haut brannten, aber noch schlimmer war das Brennen, Jucken und Stechen in meinen Augen. Ich regte mich zuerst nicht, denn ich hörte das Triumphgeheul um mich herum und ich witterte die Gefahr. Jeder Zentimeter meines Körpers protestierte, jedoch war dies nichts gegen die Schmerzen meiner Augen und als ich die pochenden und weiterhin brennenden Augen aufschlug, fand ich mich in Lucius‘ Armen wieder und ließ erleichtert alle Angst, wo ich mich befinden könnte, fahren.
Jetzt wusste ich wenigstens, weshalb ich mich instinktiv sicher und geborgen gefühlt hatte, trotz meiner feindlichen Umgebung. Zu meinem Erstaunen hatte ich dieses Gefühl bisher nur bei Severus gefühlt, als er mich damals vom Lord weggetragen hatte, nachdem ich den Seelenaustausch der Dementoren mit Barty vollzogen hatte.
Er trug mich durch den Wald, im Pulk mit all den DeathEatern und trotzdem vorne weg und ich lauschte seinen Erzählungen zu allem was vorgefallen war. Ich konnte es nicht fassen, dass der Lord genauso ohnmächtig und hilflos wie Harry und ich gewesen war… das war unfassbar und schrecklich und interessant und das alles zugleich.
Tja, was sagte man dazu? Vom Lord war nur noch so wenig seiner selbst übrig, als Seele, dass er es nicht geschafft hatte, sich dort auf der anderen Seite des Schleiers mit uns zu treffen. Das hätte glatt Mitleid in mir anregen können und doch herrschten die Schmerzen in mir vor, die selbst die Gedanken an Severus übertünchten und die ungeweinten Tränen in meinen Augen brannten wie Säure, während ich versuchte, die Schmerzen weg zu atmen. Wenn ich nicht gerade tatsächlich das langsame Aufgehen der Sonne sehen würde, hätte ich annehmen können, man hätte sie mir rausgerissen.
Aber nicht ich war wichtig, es gab Wichtigeres. Das Spiel war noch nicht verloren. Harry war nicht tot und der Lord war mit Harry zusammen umgefallen. Alles griff ineinander und hing miteinander zusammen. Es war kompliziert, aber auch absolut wunderbar komplex, einfach magisch.
Jedoch trieb mir der bittere Anblick, den Hogwarts bot, gleich wieder die Tränen in die Augen und ich wünschte mir beinah, nicht sehen zu müssen. Das war brutal grausam. Wir hatten unsere Heimat dem Erdboden gleichgemacht und meine Tränen liefen jetzt doch ungehindert meine Wangen hinab, während mich Lucius weiterhin hielt und ich zu meiner Verzweiflung erzählt bekam, dass Severus nicht mit mir von der anderen Seite hinter dem Schleier zurückgekommen war, sondern immer noch in Stasis verharrte.
Kurz war ich versucht, alles hinter mir zu lassen und auf die andere Seite zu wechseln, aber für Severus würde die Zeit anders verlaufen. Ich musste mich nicht allzu sehr beeilen, aber ich hatte Angst um ihn. Ogma, Lugh, Morrigan und die Siofra waren nicht ohne und konnten ihm gefährlich werden, aber wenn ich mit ihnen hatte umgehen können, würde Severus dies erst recht schaffen. Hinzu kam, dass Gellert anscheinend bei ihm war, dort auf der anderen Seite, denn laut Lucius hatte er sich im Pentagramm verflüchtigt und das machte mir Hoffnung und Angst zu gleich.
Was hatte Gellert getan, dass er dort gänzlich hatte hingehen können? Wäre mir das damals auch passiert, wenn Gellert nicht Albus mit den versteckten Tipps, wie ich den Túatha entkommen könnte, zu mir geschickt hätte? Warum ging er dann zu ihnen und blieb auch noch dort? Mich beschlich das Gefühl, dass mir nicht gefallen könnte, was er getan hatte. Und doch blieb diese seichte Hoffnung, dass er Severus dort helfen könnte. Zusammen könnten die beiden dort vieles erreichen, davon war ich überzeugt und infolgedessen wollte ich auf ihre Gaben und ihr Können vertrauen und mich nicht jetzt mit Eventualitäten beschäftigen, die ich momentan nicht ändern konnte.
Also machte ich eine Bestandsaufnahme meines Körpers und danach konnte ich mit Gewissheit sagen, dass das Zeichen, sein Zeichen, Severus‘ Familienzeichen beständig an meinem Oberschenkel pochte und ich wusste aus einem tiefsitzenden, beruhigenden Instinkt heraus, es gab ihn… noch… sein Geist und sein Körper waren nicht verloren. Nicht für mich und ich würde mich darum kümmern, wenn das alles vorbei war. Mir half die neueste Erkenntnis bezüglich Dracos und meines Zeichens und wie sehr uns dies verband. Denn wenn ich mich auf Dracos Zeichen konzentrierte, spürte ich auch an der Stelle das beständige Pochen, das mir signalisierte, dass auch er lebte.
Noch immer trug mich Lucius und ich bemerkte sehr wohl seinen Unwillen, von mir zu lassen und ich selbst konnte mir eingestehen, dass ich noch nicht in der Lage war, selbstständig zu stehen, weshalb ich nichts unternahm, während diese absurd anmutende Karawane weiterzog. Der aufziehende Morgen gab mir die Sicherheit, dass wir bald das Finale erreichen würden, weshalb ich mit meinen Kräften haushalten musste. Als wir das zerstörte Schlossportal erreichten, nahm ich die ganze Verwüstung schockiert in mich auf.
„NEIN!“, schrie Professor McGonagall verzweifelt und humpelte, wie einst Moody, mit einem großen Stock bewaffnet die zum Teil weggesprengten Stufen ein wenig unsicher hinab.
Anscheinend hatte es auch sie erwischt und irgendwie wurde es mir unangenehm, von Lucius auf Händen getragen zu werden, denn die Masse an Verteidigern, die ihr folgten, erkannten sogleich, was genau Hagrid auf den Armen trug und sofortige und lautstarke Panik war das Resultat.
„Nein!“, „NEIN!“, „Potter!“, „Harry, Harry, HARRYYYY!“, kochten die fassungslosen Schreie über und nagten an mir, da ich wusste, dass Harry niemals sterben konnte, nicht als das, was er nun war.
Nicht als Master of Death!
Weshalb ich mich mit einer gewissen Mattigkeit fragte, wie Harry diese panischen Schreie um seinetwillen und um sein Heil so ertragen konnte. Wie konnte er da bloß stillhalten und was mochte ihm das abverlangen, bestimmt starb er innerlich tausend Tode. Unterdessen hörte ich dem Lord und seinem bösen Spott, den er über den Verteidigern Hogwarts ausschüttete, gar nicht richtig zu, da er eh nur Unsinn faselte.
„Er hat dich besiegt!“, kam es mit beseelter Wut von Ron aus der künstlichen, magischen Stille, die der Lord erzeugt hatte und ich platzte beinah vor Stolz, aber auch vor Angst um ihn.
Ich konnte Ron und neben ihm Neville mittlerweile in der ersten Reihe ausmachen, gleich dahinter Astoria und Blaise. Blaise, der von Astoria geführt wurde. Wobei ich bei Blaises Anblick zusammenzuckte und innerlich aufschrie. Was zur Hölle war mit ihm passiert?
Wenigstens lebte er, aber es tat weh, ihn so zu sehen und ich fühlte mit ihm, da ich selbst mit meinen schmerzenden Augen zu kämpfen hatte. Der Anblick seiner verbundenen, blutdurchweichten Binde war besorgniserregend, um nicht zu sagen beängstigend und zeugte von einer schweren Verletzung. Sein Zauberstab war zu einem Stock, der ihm beim Gehen half, verlängert worden und ließ in mir die schlimmsten Befürchtungen aufkommen. Er taumelte ein wenig unsicher, aber sehr entschlossen vorwärts.
Sollte dieser Zustand etwa für immer sein?
Bei meiner positiven Grundeinstellung tendierte ich einfach mal zum Negativen und bemitleidete ihn von Herzen, da ich mir einen blinden Blaise nicht vorstellen konnte und wollte. Aber auch einen Poltergeist Namens Fred wollte ich mir nicht so wirklich vorstellen und doch war es ein Fakt, der nicht mehr zu ändern war, so sehr es mir im Nachhinein auch missfiel.
Diese Schlacht trieb mich regelrecht an meine Grenzen und weit darüber hinaus. Als ich hinter ihnen Dracos weißblonden Schopf ausmachte und wie zur Bestätigung meines sanft pochenden Zeichens, die reale Bestätigung erhielt, dass es ihm gut ging, machte sich warme Erleichterung in mir breit. Bis mir die missbilligenden und empörten Blicke auffielen, die uns alle möglichen Leute zuwarfen. Der Orden, die Lehrer und auch viele Schüler starrten mich an. Niemand schien sich dafür erwärmen zu können, mich zu Lucius gehörig auf der anderen Seite zu sehen.
„Lass mich runter!“, bat ich daher mit Nachdruck.
Und ich war froh, als Lucius dem nachkam, ohne zu debattieren. Anscheinend waren auch ihm die Blicke nicht entgangen, aber er hielt ein hörbares Seufzen nicht zurück und nur Sekunden später fand ich mich am Boden wieder und spürte den Schmerz und den Schwindel. Denn als ich stand, empfand ich doch eine inakzeptable Schwäche in meinen Beinen und krallte mich deshalb haltsuchend an Lucius‘ Arm fest.
Dort standen sie, meine Freunde, meine Kameraden, meine Verbündeten und sahen mich vorwurfsvoll an. Wir waren auf der anderen, der falschen Seite. Demgegenüber ihre Seite, die richtige, die gute Seite, die mir momentan schrecklich fern und schier unerreichbar schien. Harry und ich verharrten auf der anderen, der gegnerischen Seite. Mit brennenden Augen starrte ich nach vorne und fand Dracos Blick, der eingefroren schien, genauso wie seine maskenhaften, emotionslosen Gesichtszüge, die das Grauen überdeckten, das er während der Schlacht erlebt hatte. Würde jemals alles gut werden? Ich spürte, wie eine Welle der Resignation von mir Besitz zu ergreifen drohte, bis ich Rons aufmunternden Blick einfing.
Wusste er, dass mit mir gerade etwas nicht stimmte?
Er signalisierte mir ohne Worte, dass noch nichts verloren war, dass nicht wir wichtig waren. Nicht unsere Wunden waren gerade von Bedeutung, sondern diese Schlacht!
Wir mussten sie gewinnen, um den Krieg zu gewinnen und das um jeden Preis und gerade erkannte ich, wie nah ich Nagini war und was mir Ron wirklich bedeuten wollte. Der Lord hatte sie von ihrer Blase befreit und sie hatte sich von ihm hinabgleiten lassen. Zu meinem Leidwesen erkannte ich, dass ich nicht mehr im Besitz irgendeines wirkungsvollen Gegenstandes war, der einen Horkrux vernichten konnte. Mein Zahn war nach der Vernichtung des Horkruxes auf der anderen Seite verloren gegangen.
Außerdem war die Frage gerechtfertigt, ob ich in meiner augenblicklichen Verfassung mit Nagini fertig werden könnte. Sie war ein Riesenvieh, mit dem nicht gut Kirschen essen war.
Indes beobachtete ich, wie Ron seinen Arm hinter seinem Rücken hielt. Dort hielt er meinen Dolch versteckt, aber auch die Jungs, die ihn flankierten, schienen den ein oder anderen Basiliskenzahn in der Hand zu haben. Dean, Seamus, Neville, selbst Astoria, die sich wie eine Glucke um Blaise kümmerte. Dann stockte mir kurz der Atem, da ich Dracos weißblondes Haar ganz vorne ausmachte, aber er hielt sich noch etwas weiter zurück als die anderen und doch war es ein Risiko, sich so weit vorzuwagen, während der Lord seinen Blödsinn über Harry schwafelte und die Gemüter sichtbar erhitzte.
„NEIN, hör auf zu lügen!“, brüllte Neville inbrünstig und machte einen Satz nach vorne.
Er sprintete los und löste sich aus der schützenden Masse. Er hielt absolut kopflos nach vorne.
„Wen haben wir denn da?“, fragte der Lord in seinem leisen, schlangenartigen Zischen. „Einen ganz Begierigen!“
Ein Schrei ging durch die Menge, ein Schrei, den Hannah ausgestoßen hatte, während Seamus, Dean und Ron, die bisher neben Neville gestanden hatten, ihm überrumpelt nachsahen. Neville wirkte wie losgelöst. Er hielt direkt auf den Lord zu, der mit einem lippenlosen, zufriedenen Grinsen dem jungen Mann eher stoisch und gleichgültig entgegenblickte. Schon tauchten Dolohov, Bellatrix und Thorfinn auf, die sich Neville in den Weg stellten. Es gab ein kurzes, aber heftiges Handgemenge und einen wiederholt spitzen Schrei von Hannah, während der Basiliskenzahn unbeachtet davonkugelte. Dann ertönte ein weiterer lauter Knall, es gab einen grellen Lichtblitz und schmerzliches Stöhnen, als Neville am Kopf blutend und entwaffnet zu Boden stürzte. Der Zauberstab flog surrend in die langen spinnengleichen Finger des Lords, der ihn geschickt auffing und lachend wie Abfall beiseite warf.
„Wer hat sich hier freiwillig gemeldet, um zu demonstrieren, was mit denen passiert, die weiterkämpfen wollen, während die Schlacht doch schon längst verloren ist?“, fragte er süffisant und grinste weiterhin dieses irre Lächeln, das einem Angst einjagen konnte.
Bellatrix lachte verzückt auf, sprang dem Lord eilfertig bei und lächelte Neville fies entgegen, während ihre Frisur ein einziger, wilder Lockenwust war und offenbarte, dass sie genauso verrückt wie der Lord war, da sie hier vor allen derart losgelöst herumhüpfte.
„Das ist Neville Longbottom, my Lord! Der Junge, der den Carrows so viel Ärger gemacht hat! Der Sohn der Auroren, die auch in Frage kamen… ich wisst schon… damals…“, raunte sie vertraulich kichernd und der Lord nickte nachdenklich und sich erinnernd, während ein undeutbarer Glanz in seine unheilvoll schimmernde Augen trat.
„Aha, jaja, das eifrige Aurorenpaar…“, meinte er versonnen, sichtbar an vergangene Zeiten denkend.
Dabei leuchteten seine rotglühenden Augen zu Neville hinab, der sich vor Schmerz am Boden krümmte. Er gab aber trotz seiner Verletzungen nicht auf und rappelte sich nun wieder auf, unbewaffnet und schutzlos im Niemandsland zwischen den Überlebenden und den DeathEatern.
Ich sah zu den anderen hinüber, um herauszufinden, ob sie etwas planten, um Neville zu helfen. Oder war ihm nicht mehr zu helfen?
Da bemerkte ich Luna, die Harry mit einem ganz seltsam entrückten Ausdruck anstarrte und dann schoss ihr Blick zu mir und alles an ihr wirkte, als würde sie sehen, was Sache war, als wüsste sie, dass Harry eine Scharade spielte. Ganz plötzlich verzogen sich ihre Mundwinkel. Es war schwer zu sagen, ob im Tadel oder vor zufriedener Freude, vielleicht beides, aber ja, sie wusste es, sie wusste, dass Harry am Leben war. Unweigerlich fragte ich mich, was mit diesem Mädchen los war, dass sie derartiges immer sofort wusste, ohne große Worte, nur aufgrund ihres Instinkts.
„Longbottom, du bist ein Pureblood, nicht wahr, mein tapferer Junge?“, fragte der Lord Neville selbstvergessen, während dieser ihm mit geballten, zitternden Fäusten gegenüberstand und Blut über seine Stirn und Wange lief und auf den gierigen Boden Hogwarts tropfte, der es beinah sofort aufsog.
„Wenn’s so wäre?“, wollte Neville provokant erfahren.
Eines musste man ihm lassen, er wirkte kalt und abgeklärt, als wäre es ihm gleich, dem Tod jetzt ins Angesicht zu blicken, da er dem Lord ohne eine Spur von Angst ins unmenschliche, so bleiche, fratzenhafte Gesicht sah.
„Du beweist Kampfgeist und Mut und du bist von edler Abstammung. Du wirst einen äußerst wertvollen DeathEater abgeben. Wir brauchen Leute von deinem Schlag, Neville Longbottom!“, resümierte der Lord honorig und erhob seine Hand, wie um Zustimmung bemüht, die ihm von der Masse seiner Anhänger mit einigem Applaus entgegenkam, aber bei seinem Gegenüber für nicht viel Begeisterung sorgte.
„Nicht im Ernst?“, echote Neville fassungslos empört aufgrund dieses Angebotes und spuckte verachtungs- und geräuschvoll Blut auf den Boden, direkt vor die Füße des Lords.
„Einer rektal gelebten Monarchie dienen? Niemals! BL und DA!“, brüllte er laut und reckte die Faust kämpferisch in den Himmel.
Die Menge der Verteidiger, die unter dem Schweigezauber des Lords in ihrer Masse offenbar nicht zu bändigen war, antwortete mit lautem, feurigem Jubel der Zustimmung. Woraufhin der Lord wieder dafür sorgte, dass erzwungene Ruhe einkehrte und es Neville zeitgleich den Boden unter den Füßen wegriss. Er plumpste vor dem Lord nieder und lag im Dreck, nah bei Nagini, die bedrohlich neben dem Lord verharrte und Neville aggressiv anzischte.
„Hört!“, erhob der Lord seine Stimme, um weiterhin seine Dominanz zu demonstrieren und Angst und Schrecken zu verbreiten.
„HÖRT! Hört!“, echote die hohe Piepsstimme von Peeves dem Poltergeist bissig und er äffte den Lord einfach so nach, wie er es sonst mit einigen Professoren gemacht hatte.
Die gedrungene Gestalt des kleinen Mannes mit dem breiten, heimtückischen Gesicht, dazu der glockenförmige Hut und die orangene Fliege, das alles passte nicht wirklich zu diesem Schlachtfeld hier und trotzdem drehte er sich wie wild und skurril anmutend in der Luft.
„Voldylein, wir ham klein Potty verloren, wer war’s, der böse, böse Voldy, der modert und wir ham keinen Spaß!“, trällerte der Poltergeist völlig losgelöst.
Lucius hielt mich zurück, als würde er fürchten, dass ich etwas Unüberlegtes tat. Alles verstummte ob dieser Anmaßung und ich sah mich unwohl nach Fred um, aber dieser schien bei dem Spaß nicht mitmachen zu wollen, aber wahrlich, egal auf welcher Seite er auch stand, Peeves war lustig.
„Verschwinde, du unerträgliche Missgeburt!“, fauchte Bellatrix wütend und warf einen Stein nach Peeves, in Ermangelung magischer Fähigkeiten.
„Longbottom“, fuhr der Lord bemüht konzentriert fort. „Du verschmähst uns?“, fragte er zu freundlich und zu unberechenbar in seinen schnell wechselnden Launen, dabei vernahm ich sehr wohl die viel größere Gefahr für Neville in der sanften Stimme.
„Duuuu verschmäääähst unssss!“, krächzte Peeves nach und doch war weiterhin keinem zum Lachen zu mute.
„Klein Potty, der modert, der Voldy, der war’s. Sieht selbst aus wie ’ne Leiche, das lästige Aaaassss“, trällerte die Nervensäge weiter und ließ nicht locker und Nagini zischte böse.
„Aha!“, „Oh mein Gott!“, „NEIN“, kreischten wirklich alle.
Peeves schwebte direkt vor dem Lord und zog sich übergangslos die Hose runter. Mir klappte der Mund auf. Er hielt dem Lord doch tatsächlich seinen bleichen und haarigen Hintern entgegen. Ein abstruser Anblick, der sicherlich allen im Gedächtnis bleiben würde und eine An- oder auch Aussicht, die wirklich nie jemand in seinem Leben hätte sehen wollen.
Als nächstes schraubte sich Peeves Stinkbomben werfend in die Höhe. Die anderen DeathEater hinter uns fingen diese ab, bevor sie platzen und ihren Gestank über uns verbreiten konnten. Unterdessen drohte der feuerrot glühende Blick des Lords, den Poltergeist in Flammen aufgehen zu lassen und doch streckte Peeves ihm nur die Zunge raus, woraufhin sich der Lord so abrupt drehte, dass sich sein schwarzes Gewand hob. Der Lord war kurz davor, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen und jeder der DeathEater wusste, was das bei unserem Lord in seiner augenblicklichen Verfassung bedeuten konnte. Er war unkontrollierbar, wenn er die Gewalt über seine Gefühle verlor und war in der Lage, einen Massenmord anzurichten, egal auf welcher Seite. Jetzt, da fast keine Seele mehr von ihm vorhanden war, außer Naginis Horkrux, kratzte er mehr am Wahnsinn als jemals zuvor. Und doch wusste der Dark Lord ebenfalls, dass er gegen ein Wesen wie Peeves eines war nichts ausrichten konnte. Selbst mit seinem Elderstab nicht und die Blamage wollte er sich nicht vor versammelter Mannschaft geben, was ihn nur noch mehr reizte und mich in die Bredouille brachte.
Ein Ouroboros der besonderen Art, wenn sich die Schlange in ihren eigenen Schwanz biss und mein Dilemma offenbarte. Er würde explodieren und er würde wüten und zum Schluss alle töten und niemand würde dadurch gewinnen. Und da tat ich, was ich hasste tun zu müssen, um uns alle zu schützen, was aber wohl die Wenigsten anerkennen würden, aufgrund mangelnden Wissens. Aber ich wusste, dass ich es konnte und das reichte, denn hier herrschte nicht Lucius‘ Familienmacht, die er rettend einsetzen könnte, um uns vor dem Lord zu bewahren.
Also streifte ich Lucius‘ haltende Hand ab und trat vor und stand nun neben Bellatrix. Ich sah Peeves wortlos an, in dem Wissen, dass ich seit Jahren von Peeves und den Geistern verschont geblieben war, weil ich eben die war, die ich war und sie mich nicht ausstehen konnten, weil ich auf der Sphäre, auf der sie sich bewegten, sehr wohl Macht hatte, auch über sie. Ein mit Sicherheit sehr unschöner Gedanke für diese freigeistigen Wesen.
„Waaahhhh“, klingelten meine Ohren, als Peeves mich erblickte.
Er schrie wütend wie ein Kleinkind auf und stieß zum Schluss ein schrilles Kreischen aus, das seinesgleichen suchte, sodass es in meinen Ohren klingelte. Dann wurden wir Zeuge, wie er mit einem lauten Plopp von jetzt auf gleich unsichtbar wurde. Viele Schüler warfen mir daraufhin mörderische Blicke zu, auch Bellatrix reihte sich dort mit Freude ein, missmutig darüber, dass ich Peeves allein durch mein Hervortreten hatte vertreiben können.
„Mein Mudblood, komm her!“, bedeutete mir der Lord, den Platz direkt neben ihm einzunehmen.
Mir fuhr ein gehöriger Schreck wegen dieses vertraulich anmutenden Befehls durch die Glieder und mir wurde schwer ums Herz, da ich sofort die Quittung für mein Einschreiten erhielt. Ich hatte mich dem Lord in Erinnerung gerufen und ich seufzte, da er mit seiner Hand beleidigend abwertend an seine Hüfte schlug, als ich nicht sofort spurte.
„Ja, hier her, neben mich!“, befahl er hart und degradierte mich zu einem folgsamen Hund.
Vor allen so vorgeführt zu werden, war nichts was ich wollte. Ich hatte es gehasst, als Lucius es getan und mir meinen Verlobungsring übergestreift hatte. Doch das war nichts gegen meinen Widerwillen, dem Lord zu Willen zu sein, erst recht nicht nach seiner Attacke auf Severus. Meine Bereitschaft zur Kooperation war gleich Null. Der doofe Poltergeist hatte es geschafft, den Lord auf den Gedanken zu bringen, dass er sehr wohl durch mich die Macht hatte, auch unter Geistern und andere Wesen Angst und Schrecken zu verbreiten.
Tja, ich wusste um meine Sympathien bei einigen Toten, oder Untoten, oder Geistern, oder eben Poltergeistern, aber es war malerisch, dass es jetzt alle mitbekommen hatten, wie meine Wirkung auf einige war. Ich war mir sicher, dass mal wieder viele an mir und meinen Loyalitäten zweifelten, egal ob BL, DA, VenTes, oder der Phönixorden. Jeder von ihnen würde sich fragen, was sie davon zu halten hatten.
Indes wurden die Züge des Lords wieder weniger wütend, als würde er sich freuen, dass allein die Nennung von mir zu solch einer Reaktion bei seinen Zuschauern geführt hatte und ich trat einen Schritt auf ihn zu.
„My Lord…“, wagte ich recht widerborstig einzuwenden, nicht gewillt, ihm vor all diesen Menschen so widerstandslos zu Diensten zu sein, wie er sich das vorstellte.
„Ruf die Dementoren!“, befahl er kalt und ich ahnte, dass er mit Neville eine Demonstration seiner Grausamkeit plante, die seinesgleichen suchte.
Ich vernahm ängstliche Rufe und erstickte Laute von der Gegenseite und ich schluckte schwer. Das würde wie ein Festmahl für die Dementoren sein. Aber egal wie, ich war mir unsicher, ob die Idee so gut war und ob ich wirklich die Macht hatte, sie zu halten. Unterdessen lagen natürlich die Blicke aller auf mir. Vorwurfsvolle Blicke, hoffnungsvolle, misstrauische, alles war dabei und lastete schwer auf mir.
„Aber…“, versuchte ich, sachte einzuwenden.
„Es war Longbottoms eigene Entscheidung!“, gab der Lord zurück und sein Blick aus den roten Augen spießte mich regelrecht auf.
„Hermione!“, vernahm ich Lucius‘ deutliche Warnung, die jedoch nur für mich zu vernehmen war.
Ich vermutete, dass er zauberte. Die Untertöne, die in jeder Silbe meines Namens mitschwangen, vermittelten mir die Wichtigkeit, mitzuspielen und so erstarben alle weiteren Einwände auf meinen Lippen und ich seufzte, schon wieder. Also hob ich minimal furchtsam meinen Stab und schickte ein Lichtsignal in den Himmel und rief sie, die Dementoren, zu mir, während meine Inferi auf der Insel bleiben sollten.
Ein wildes Brausen erhob sich in der Ferne und der Wind zerrte heftig an meinen wilden Haaren. Der Luftdruck nahm zu, es knackte in meinen Ohren. In der Sekunde erkannte ich auch schon meinen großen Fehler. Ich versuchte verzweifelt, meine weißen Augen zu bekommen, um die Dementoren zu beherrschen, aber ich schaffte den Sprung nicht, da war kein Durchgang, sondern eine Wand.
Was war mit mir los?
Mit aufkeimender Panik fiel mir auf, wie kalt es plötzlich auch um mich herum wurde, da die dicht geballte Masse an wirbelnden schwarzen Wesen von der Insel im See aufbrach und hungrig und gierend auf uns alle zuraste. Die schwarze Masse begann zu kreisen, schneller, immer schneller, schon beim Zusehen wurde mir schwindelig.
Ich war nutzlos! Verfluchter alter Mann! Was hatte Gellert getan?
In meinem Schädel pochte es schmerzhaft und zu meiner eigenen, immer größer werdenden Panik bemerkte ich, dass es wirklich gänzlich anders war als sonst. Ich vernahm zwar das Wispern, aber meine weißen Augen kamen einfach nicht, sie traten nicht zutage. Ich konnte nicht in den Slide gehen. Ich blieb im Hier und Jetzt, nicht mehr vollständig Herr über meine Gaben. Ich war nicht mehr völlig immun gegen diese Viecher und konnte die aufkeimende Angst fühlen, das Rasen meines Herzens, als ich mich der Wut dieser Wesen ausgesetzt sah, aber dennoch war ich nicht wie die anderen, normal würde ich wohl nie mehr sein.
Die Kreaturen, die ich um eine Seele beraubt hatte und die jetzt bemerkten, dass ich nicht mehr die war, die ich bis vor kurzem gewesen war, sannen auf Rache. Tausend unsichtbare Bestien heulten und kreischten in dem Sturm.
Ich hatte keine Kontrolle mehr!
Ich war anders, ich war nicht mehr ich: Ich war kein SoulGatherer mehr!
Kein Slide, keine Macht über Dementoren, nichts!
Was zur Hölle hatte Gellert mir angetan?
In dem Moment stoppte die Armee der Dementoren und das in wohl überlegtem Abstand zu der Ansammlung von Zauberern und Hexen im Schlosshof. Aber doch nah genug, um bei vielen Widerständlern Symptome hervorzurufen, während die DeathEater unbeeindruckt zusahen. Die Dementoren trauten dem Braten noch nicht. Sie waren unsicher und sie hielten sich als geballte Masse noch furchtsam zurück und wagten nicht, sich gegen mich zu wenden.
Aber er, er wusste es, jetzt war er sich sicher!
Der Anführer, er erkannte, oder witterte meine Hilflosigkeit ihnen gegenüber und sann auf Rache. Schon schoss er bedrohlich und allzu entschlossen auf mich zu. Die Wut, die er ausstrahlte, war selbst für mich zu schmecken und ich sah mich mit der grausamen Realität konfrontiert, dass mir ein Slide augenblicklich nicht zur Verfügung stand.
Meine Aufmerksamkeit huschte kurz zu Lucius, der noch nicht völlig begriffen hatte, dass ich die Macht verloren hatte, die Dementoren in Angst und Schrecken zu versetzen. Sie verbreiteten bitterste Kälte. Es wurde noch düsterer in ihrer unmittelbaren Umgebung als es überhaupt möglich sein sollte und verzweifelt dachte ich an meinen Patronus und hob meinen Stab, um mich zu schützen und zu kämpfen. Aber ihm entwich nichts als Dampf, zu trist und trübsinnig waren meine Gedanken. Verschwunden war mit Severus, der auf der anderen Seite verblieben war, die Hoffnung, dass doch noch alles gut werden würde und mir wurde kalt.
Das Erstaunliche an sich war, dass viele DeathEater gar nicht in der Lage waren, Patroni zu erzeugen, die sie effektiv vor den Wesen und ihrer unfassbar grausamen Macht, jemandem das Glück zu entziehen, schützen konnten, aber das brauchten diese Menschen auch nicht. Selbst die Patroni von Severus, Lucius, Draco und auch meiner waren nicht so plastisch und kräftig wie zum Beispiel die von Luna, Padma, Neville und anderen Schülern. Die Frage war nur, ob es nun auch so war, nachdem sie gekämpft und Leid und Verlust erlebt hatten. Der hässlichen Realität ins Gesicht gesehen und erfahren hatten, was es bedeutete, zu morden und Leichen zuhauf zu sehen. Krieg veränderte die Menschen von Grund auf.
Ich verzagte immer mehr und sprach mir Mut zu, dass meine Familie und ich bisher wenigstens noch immer in der Lage gewesen waren, Patroni zu beschwören und genügend positive Gedanken in uns finden konnten, die uns dies ermöglichten. Aber gerade kam gar nichts. Ich sah dem wabernden Wesen entgegen. Sein zerfetzter, schwarzer Mantel bauschte sich bedrohlich auf und seine schorfigen, langen, dünnen, fahlen und unnatürlich grauen Hände zeigten sich, als er sie gierig vorstreckte. Ausgereckt, um mich zu greifen, begierig, sich für meine dreiste Tat, ihnen eine gegebene Seele zu stehlen, zu rächen. Ich bemerkte erst gar nicht, wie sich um mich herum der dicke Nebel zusammenballte und mich von den anderen trennte.
Plötzlich fiel die Kapuze zurück und offenbarte den ekeligen, tiefen Schlund, der einen einsaugte. Ein großes, dunkles Loch, das nichts versprach als Einsamkeit. Ich biss mir auf die Lippe, um das aufziehende Schaudern zu unterdrücken. Das war ein Anblick, der mir durch Mark und Bein ging, denn als sich unsere Aufmerksamkeit einander zuwandte, saugte er mit seinem Schlund nicht nur die Luft ein, sondern schien auch die Emotionen in der Luft zu schmecken. Ich war ungewollt völlig gefangen in dem Moment, bis etwas vollkommen Unerwartetes geschah, denn das Wesen zuckte nicht wie damals vor mir zurück, sondern steuerte noch schneller auf mich zu, als könnte er es gar nicht erwarten, bei mir zu sein.
„MEINNN?“, waberte nun die undeutliche, verzerrte Sprache des düstersten der Dementoren zu mir.
Die anderen konnten es nicht wahrnehmen, denn die Gespräche mit diesen Wesen liefen immer auf geistiger Ebene ab. Schwärze, nichts als Schwärze umfing mich und in mir brodelten wirre und makabre Gefühle, die mich beherrschten und mir den Schweiß auf die Stirn trieben, während ich mal wieder nicht mehr Herr meines eigenen Willens war und instinktgesteuert handelte.
Ich würde kämpfen. Ich würde mich nicht kampflos geschlagen geben. Wir würden sehen, ob man diese Dinger nicht doch umbringen konnte. Wer einen Siofra zerlegte, legte sich auch mit einem Dementor an.
Gegen meinen Willen zog es mich zu dem Anführer hin. Ich keuchte erschrocken auf, als meine Fingerspitzen kribbelten. Das war irgendwie so schrecklich falsch, denn ich wollte nicht in die unmittelbare Nähe dieser widerlichen Kreatur kommen. Mein Herz klopfte rasend schnell gegen meine Brust. Es schien immer enger zu werden und der Nebel alles verschlingend, wirklich beängstigend und fremd und so kalt. Es war, als würde die Kreatur einen pechschwarzen, kokonhaften Nebel um uns hüllen, undurchsichtig, undurchdringbar und brandgefährlich, das nach Rache dürstende Wesen. Das war das Letzte, woran ich denken konnte, bevor ich nur noch den viel zu nahen Dementor mit seiner düsteren, kaum fassbaren Gestalt vor mir hatte und meine Hand nur hätte leicht zu heben brauchen, um seinen Schlund berühren zu können. Dieser flatternde Haufen schwarzer, undurchdringlicher Düsternis war mir ganz nah.
Angesicht zu Angesicht standen wir einander gegenüber, so nah wie diese Kreaturen sonst nur Menschen kamen, denen sie ihren Dementorenkuss aufzwängen wollten. Das menschenunähnliche und so abstoßend hässliche Gesicht war direkt vor mir. Wo eigentlich Augen hätten sein sollen, war lediglich Schorf und der riesige Schlund dieser Kreatur, ein sehr großes Maul ohne Zähne oder Zunge, nur eine große Öffnung, die alles was das Wesen beliebte gierig in sich hineinsog. Ein abstoßendes Bild, wie diese groteske, große, magische Kreatur vor der kleinen, schmalen Person, die ich war, schwebte.
Ich starrte tranceartig und wie hypnotisiert in den rasselnden Schlund und zeigte keine Emotionen auf meinem Gesicht. Meine Augen blieben braun und nutzlos. Sie erstrahlten nicht in einem durchdringenden Weiß und das ließ mein Herz immer schneller pochen. Ich sprach mir gut zu und ritzte mir die Handfläche mit meinem Zauberstab auf, unterdessen überlegte ich panisch, welche magischen Möglichkeiten mir offenstanden. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Es war, als würden wir uns zu einem Kuss treffen, einem ekligen, makabren, innigen Kuss. Dieser Sog, dem ich stur zu widerstehen versuchte, war so fordernd und plötzlich fühlte ich klebrige Nässe über meine Lippen tropfen und mein Kinn hinablaufen.
Nasenbluten!
„Wahhh“, entfuhr es mir erschöpft.
Ich kam nicht dagegen an, dieser unvorstellbare Sog war brutal und als sich mein Mund öffnete löste sich etwas aus mir. Eine kleine, weiße, hellleuchtende Kugel, die in den Schlund des Dementors übergehen sollte, um dort zu verschwinden. Die hell leuchtende Seelenperle, die ich ihm bei Barty entrissen hatte, denn das war ich nicht gänzlich, vielleicht zum Teil, aber nicht ganz. Das war überraschend und ich machte große Augen. Meine Seele löste sich nicht. Was war das? Was passierte hier?
Holte er sich nur Bartys Teil zurück?
Ich war offenbar nicht wieder so normal, dass er meine Seele haben konnte, aber Bartys Perle, die wollte er und ich gab es zu, mir war bisher gar nicht bewusst gewesen, dass ich sie besessen hatte. Dass ich damals nicht alles an Barty zurückgegeben hatte, war eine erleuchtende und erschreckende Erkenntnis. Das konnte oder wollte man sich gar nicht vorstellen.
Ich wurde aus meiner Umnebelung gerissen, als etwas in den Nebel zu mir hereinsprang und mich grob zur Seite stieß. Der Kontakt zwischen Dementor und mir brach ab.
„Was?“, rief ich erschrocken.
Ich fiel hart auf den Boden und schaffte es, den Mund zu schließen, bevor die leuchtende Perle durch meine Lippen geschlüpft war, legte eine Hand um meine Kehle und die andere drückte ich mir auf den Mund, da mir schlecht war. Mein furchtsamer, flackernder Blick irrte verzweifelt durch die Gegend.
Etwas Großes baute sich gerade schützend vor mir auf. Es war groß, zottig, schwarzgrau. In der Erkenntnis wurden meine Augen ungläubig riesig. Das war Sirius in seiner Animagusform und gerade fletschte er aggressiv die Zähne und knurrte tief und böse und dann gab er Gas. Er sprang kläffend und bellend den Anführer der Dementoren an. Das Wesen fing ihn mit seinen klauenartigen Händen auf, aber er konnte dem schnappenden Kiefer nicht ausweichen und Sirius verbiss sich bei ihm in was auch immer und beide landeten ziemlich hart auf dem Boden. Sirius ließ nicht los und das Wesen wirbelte mit ihm im schwarzen Nebel herum. Bisher war mir nicht klar gewesen, dass das möglich war. Sie bildeten ein Knäuel. Der schwarze, neblige Mantel des Dementors wickelte sich bei diesem wilden Kampf immer fester um den Hundekörper. Sie verschmolzen regelrecht zu einer Masse. Das Surreale an dieser an sich schon unwirklichen Situation, die mir vollkommen entglitt war, war, dass die geballte Armee der Dementoren im Hintergrund anhielt und nicht näher kam. Sie eilten ihrem Anführer nicht zu Hilfe.
„Nein!“, echote ich plötzlich losgelöst.
Ich kämpfte mich mit pochendem Schädel hoch und wischte mir mit dem Ärmel über mein blutverschmiertes Gesicht. Ich taumelte in den mich umgebenden Nebel zurück und doch wollte ich vorwärts. Näherkommen und Sirius helfen. Sirius schnappte nach dem Schlund und dann passierte etwas Unvorstellbares, ein Leuchten brach zwischen ihnen aus, wie wenn sie jemanden aussaugten. Das Licht blendete einen regelrecht. Ein hohes, elendiges Winseln ertönte und dann Schwups… Sirius selbst als Hund verschwand in dem Mantel, in dem Schlund, es war wie eine Verschmelzung, er wurde regelrecht absorbiert!
Und dann war er weg!
Zurück blieben Schwärze, ein Mantel, ein am Boden liegender Dementor.
Den Dementor schien diese Verschmelzung ebenfalls sehr mitgenommen zu haben, er wirkte wie eine frisch gewachsene Silhouette, weswegen er nun in die Knie ging, falls diese Wesen so etwas besaßen. Es wirkte, als wäre er all seiner Kraft beraubt worden, bis plötzlich ein Ruck durch das Wesen ging. Ganz, ganz langsam erhob er sich auf einmal, wie von Geisterhand in die Lüfte, doch er wirkte alles andere als stark. Dieser schwarze, wallende Schatten wankte unsicher in der Luft und schwebte auf und ab. Er torkelte regelrecht und ich wusste mit einem schmerzhaften Stich im Herzen, dass das da Sirius war!
Verborgen hinter all der Schwärze in einen Mantel gehüllt befand sich Sirius. Das war nicht normal!
Der Dementor und Sirius waren zu einer Person verschmolzen und ich wäre fasziniert gewesen, wenn ich nicht so geschockt gewesen wäre. Nun hatten sie sich Sirius geholt, so wie sie gewollt hatten, seitdem er durch den Schleier gefallen war.
Bitte, nicht auch noch ihn. Wir hatten schon so viele verloren. War wirklich alles was ich tat umsonst?
Das war es, was sonst hinter dem Schleier passierte, wenn die Verbrecher vom Ministerium hindurch geschickt wurden, um dann als Wirt für den körperlosen Dementor herzuhalten.
War das die erste Geburt eines Dementors auf dieser Seite der Welt? Oder war es ein Evolutionsschritt, zu einem plastischeren Wesen? Ich stolperte blind vorwärts und hob die Hand. Das war Sirius, denn dieser neue Anführer griff mich nicht an. Er schwebte vor mir und ich streckte die Hand aus, wie um ihn zu berühren, während die skelettartige, schorfige Hand mir ebenfalls einen Finger entgegenstreckte und dann dachte ich ein kleines Aufflackern, ein kleines Glühen wahrzunehmen. Mit morbider Faszination erinnerte mich die Situation an meine Kindheit, an einen Film. Diese Szene hier kam mir vor wie in E.T., als der Alien seinen Leuchtfinger hochgehalten hatte, um nach Hause zu telefonieren. Ich fühlte, er war zu etwas anderem geworden. Als sich unsere Fingerspitzen berührten, durchlief es mich wie bei einem Stromschlag, sogleich riss ich mich mehr oder weniger abrupt von dem Sirius-Dementor los, indem ich instinktiv meine erhobene Hand wegzog und auch er zuckte vor mir erschrocken wirkend zurück. Im nächsten Augenblick geschah etwas Wunderschönes, denn aberhunderte von hell leuchtenden Patroni in allen Farben und Formen sprangen um uns herum und erleuchteten das Schlachtfeld in einem unnatürlichen blauweißen, hellen Licht. Der Sirius-Dementor stob wie getroffen davon, eilte zu der geballten Wolke der auf ihn wartenden Dementoren und flog in ihre Mitte. Sie nahmen ihn wie selbstverständlich auf. Kurz wirkte er unfokussiert, aber dann lotste er sie fort. Hinfort von uns, weg von Hogwarts und sie folgten ihm. Folgten ihm irgendwohin, wohin auch immer, und ich sackte erleichtert zusammen und fühlte mich dennoch betrogen.
Wo war meine Macht, meine Kraft hin? Und Sirius hatten wir jetzt auch noch verloren.